Dienstag, 30. Juli 2013

Geschichten, die keiner mag#25: "Sie haben sich aber gut integriert!"


--> Hallo, meine treuen Fans!
Der zugegeben etwas unlustige "Agent-Moskito"-Zyklus ist endlich vorbei. Ich brauchte etwas Zeit um mir anspruchsvollere Themen zu überlegen und im Endeffekt hab ich einige gefunden, die ich unbedingt ansprechen möchte.
Mein Name ist xStricherx und ich bin vor ungefähr 11 Jahren in dieses Deutschland eingewandert. Ich war am Anfang ziemlich skeptisch der ganzen Sache gegenüber. Doch schon kurze Zeit später schaffte ich es mich ziemlich gut einzuleben und mein Leben hier eigentlich ganz gut zu finden. Später kamen erste Teenage Problems und andere unschöne Sachen als auch die Bildung eines politischen Bewusstseins(weshalb ich mittlerweile Deutschland im allgemeinen nicht so geil finde). Aber das ist nicht das Thema dieser Geschichte sondern wie man oben im Titel erkennen kann: In-te-gra-tion.
Ähem. Ich hab schon einmal über den Besuch einer Schule für nicht-deutsch-sprechende Kinder erzählt. Das oberste Ziel dort war es Kindern deutsch beizubringen, damit sie in ihren weiteren Leben gut im Alltag zurechtkommen. Nachdem ich diese verlassen hab ging es an einer Realschule weiter(remember, der Rambo-Vorfall aus „Setzen, fünf!“?). Nach einem weiteren Schulwechsel schaffte ich schließlich die Mittlere Reife und wusste danach einfach nicht richtig weiter. Der weitere Lebenslauf an der würzburger Dolmetscherschule war auch nicht so ganz geil für mich. Alles mündete im nichts. Zumindest ne Zeit lang.
Achtung, das hat alles nichts mit Integration zu tun. Auch der Besuch von Demonstrationen, das Punkerdasein an sich, Saufen, lustige Klamotten, kein Fleisch essen sowieso nicht. Doch das war anscheinend für meinen Stiefvater Grund genug mich irgendwann nicht mehr zu akzeptieren. Denn seiner Meinung nach hat man als guter Ausländer sich hier richtig zu integrieren. Sprich: gut Deutsch sprechen können(check), sich angemessen zu kleiden(failed), einen sehr guten Abschluß zu machen(failed), sich eine angemessene Arbeitstelle/Ausbildungsstelle zu suchen(mega-fail) und den Deutschen gefälligst dafür dankbar sein dass man hier überhaupt leben darf(fatality).
Denn all das tat ich nicht. Ich hab ne echt schwierige Phase hinter mir, in welcher ich ziemlich unmotiviert ungefähr 1000 bewerbungen geschrieben hab. Ich trug seltsame Klamotten, stylte meine Haare zu einem Flattop, war insgesamt alles andere als ein Vorzeigekind. Und auch den Deutschen bzw. meinen Stiefvater kroch ich nicht andauernd in den Arsch. Gut, er hat es überhaupt ermöglicht dass ich in dieses Land gezogen bin, was ich echt ziemlich nett von ihm fand. Jedoch heißt es nicht, dass ich dafür jeden Tag dankbar sein muss. Soll ich mich etwa bei jeden Elternteil von Freunden wenn ich zu Besuch bin etwa niederknien und sagen "vielen dank, dass ich bei ihnen in ihren deutschen haushalt zu besuch sein darf, es ist mir eine ehre in diesem wunderschönen land zu wohnen"?
Okay, das war jetzt etwas übertrieben. Doch irgendwie so könnte man das darstellen. Um ein guter Ausländer zu sein, muss man sich richtig integrieren. Sonst ist man übel unverschämt. Und wenn man so unverschämt ist und all diese oben aufgeführten Sachen nicht tut, kann man gleich zurück in den Ostblock abhauen anstatt dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche zu liegen. Wenn man mein Stiefvater ist, denkt man zumindest so. Oder wenn man ein guter Deutscher ist, whatever.
Nebenbei: Warum man stolz sein muss deutscher zu sein hab ich irgendwann nicht verstanden. Okay, ich hab früher nicht darüber nachgedacht bis ich irgendwann angefangen hab darüber zu reflektieren. Schließlich stellte ich auch fest, dass es ebenso kein Sinn macht stolz auf polnische und russische Vorfahren zu sein(beides habe ich) weil es ebenso wie deutschsein ein zufälliges Ereignis ist. Ich könnte nämlich sonstwo geboren sein.
 Also befreite ich mich von diesen Gedankengut und hörte auf mich mit irgendeiner Nation zu identifizieren. Das tat richtig gut. Endlich keine seltsame Verbundenheit mit irgendeinen Volk. In meinem Kopf zumindest. Denn auf Papier war ich immer noch nicht deutsch. Man muss acht Jahre hier gelebt haben um eine Einbürgerung überhaupt erst beantragen zu dürfen. Ich wartete lange darauf. Denn ich und meine Mutter erhofften sich dadurch einen leichteren Alltagsablauf. Endlich keine verlängerten Polizeikontrollen mehr. Vielleicht eine anständige Arbeit, denn mit einem nicht-deutchen Ausweis hatte ich wohl weniger Chancen auf eine. Natürlich war das nicht der einzige Grund, warum ich keine Ausbildung bekommen hab, jedoch mit Sicherheit einer davon.
Während ich also ohne einen deutschen Perso gelebt hab stellte ich einige Sachen fest. Ich hatte eigentlich keine Probleme mit Bullen oder stolzen deutschen Bürgern. Wenn irgendwas deutschland-kritisches geäußert habe, hat man in mir nur eine weitere 08/15-Zecke gesehen. Als jedoch rauskam, dass ich auch noch eingewandert bin war es auf einmal eine riesige Unverschämtheit. Bei Polizeikontrollen wurde ich extra gefragt ob ich deutsch kann und ob ich alles verstehe(obwohl man mich zuvor auf deutsch angesprochen hat). Auch wurd ich gefragt woher ich denn komme und wie lange ich hier schon lebe.
Ich hatte keine Probleme wegen meiner Hautfarbe. Schließlich bin ich weiß was ein großes Privileg in dieser Gesellschaft ist. Man hat mich nicht deswegen kontrolliert, sondern wegen „gefährlichen“ Aussehens. Als man dann noch einen nicht-deutschen Pass zu sehen bekommen hat wurde ich auch dementsprechend behandelt.
Neben diesen ziemlich negativen Erfahrungen gab es einige „positive“. Beziehungsweise positiv gemeinte. Da ich keinerlei Akzent oder ähnliches besitze wurde ich immer von irgendwelchen Leuten gelobt. Ich habe mich gut integriert. Außerdem spreche ich vier Sprachen, ziemlich fließend. Das ist ja außerordentlich lobenswert für einen Ausländer. Neulich bekam ich den Spruch von meiner Lehrerin zu hören: „Sie haben sich aber gut integriert! Das find ich gut!“. Ich meinte, das wäre mir egal. Warum habe ich nicht leider gesagt. Das wäre aber die am meisten treffende Antwort gewesen: Es ist mir egal, ob ich mich „gut integriert“ habe, ob ich für euch alle ein guter Ausländer bin. Ich geb ehrlich einen Scheiß drauf, denn es kommt in diesem Leben nicht drauf an. Absolut nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen