Freitag, 30. März 2012

Geschichten, die keiner mag#9: Stricher und die Arbeitswelt, Teil I

Ja. Ich rede jetzt über die Arbeit in meinen Leben. Über jedes kleine Bisschen körperlicher Arbeit.
Fangen wir an mit den kleinen Dingen.
Als ich nach Deutschland kam, habe ich meiner Mama mal geholfen den Hof zu kehren. Dafür hab ich 50 cent gekriegt. Das war auch n Stück Arbeit. Paar Jahre später hab ich versucht mir n Nebenjob anzuschaffen. Da ich aber am Telefon besonders schüchtern war und mir einfach nicht vorstellen konnte komplett fremde Menschen anzurufen, hats echt lange gedauert bis ich mich überwunden hab diesen alten Mann anzurufen, der Leute fürs Schneeschippen gesucht hat. Das Telefonat lief wie folgt ab:
- "Hallo"
- "Hallo"
- "blabla anzeige blabla schneeschippen..."
- "Es handelt sich aber dabei um das ganze Areal. Das muss komplett geschippt werden."
- "Ja ok, das könnt ich dann....wohl machen...."
- "Ok."
- "Ok."
- "Tschüß."
Ich wurde natürlich niemals zurückgerufen. Unter anderen weils zu dem Zeitpunkt einfach nicht geschneit hat.
Ein Paar Jahre später war ich 18 Jahre alt und beschloß mir einen Nebenjob in einen örtlichen Supermarkt zu besorgen. Der Supermarktname reimt sich dabei auf "Ghetto".
Ich ging den Berg runter, platzte rein und reichte meine Bewerbung ein. Paar Tage später wurde ich zurückgerufen und nach einen Probetag gefragt. Ich stimmte zu und dann erlebte ich diese Scheiße.
Ich hab 4 Stunden lang probegearbeitet und danach gefragt ob ich denn einsteigen will - von nun an war alles nicht mehr dasselbe.
Wie es war:
für die Rolle von Vitalik vorgeschlagen:
Shane McGowan
Das Team hatte Mitarbeiter aus verschiedenen Altersstufen. Meine Chefin, deren Namen ich mir n halbes Jahr lang absolut nicht merken konnte und die jeder einfach nur "die Chefin" genannt hat, war um die 30. Die zwei Kassiererinnen, Hansel(w) und MutterBeimer(w), beide um die 50 - besonders nette Damen, die einfach nur ihren Job gemacht haben. Die Chefin war an sich einfach nur VERDAMMT HEKTISCH. Wollte dies und jenes und dies und besonders schnell - ist ja klar, sie stand auch unter Druck von oben. Wie ich auch später erfahren hab, wollte sie mich ne Zeit lang rausschmeißen, aber da eine der damaligen Aushilfen selbst gekündigt hat, bin ich doch geblieben. Da gabs noch die "jungen leute" - Den Völler(so benannt wegen der ähnlichkeit mit einer gewissen Fußballpersönlichkeit), der sich immer bestens mit den Alkoholabteil ausgekannt hat, den Auszubildenden Stanley, der die Ruhe in Person war, ebenfalls die andere Aushilfe Minaj(m). Da gabs noch die andere stellvertretende Marktleiterin Penny, die aber irgendwann angepisst von der ganzen Situation war und gekündigt hat. Nun, was ist die Situation: In unseren Ghetto gibt es kaum gelernte Kräfte, die meisten Supermärkte bestehen quasi nur aus Aushilfen, Teilzeitkräften und anderen Assis die dringend Kohle brauchen. Dabei fluktuiert die Aufstellung im Team die ganze Zeit über. Nachdem ich ein Jahr lang dort gearbeitet habe war niemand mehr aus den ursprünglichen Team dabei. Entweder wurde man gekündigt, man hat gekündigt oder man hat Pfandflaschen geklaut und ist rausgeschmissen worden. Zudem hatte ich den Eindruck gehabt, dass der Supermarkt seine Kunden auffrisst. Nachdem ich einmal nach zwei Wochen Urlaub zurückgekommen bin, stellte ich fest, dass einer unserer Kunden mittlerweile als Aushilfe die Regale einräumt...das war echt besonders creepy...noch krasser wurde es, als sein Freund auch eingestiegen ist....gruseliger wurde es, als der junge Mann sich gewandelt hat. Aus einer netten Aushilfe wurde ein stets angepisster stellvertretender Marktleiter, der immer genervt war...und schließlich auch gekündigt hat nur um später bei der Bahnhofskette Yorma's anzufangen....so ging das immer weiter, die Leute gingen ein und aus und irgendwann wurde ich gefeuert, weil ich eine Mitarbeiternummer zum Stornieren von Waren benutzt hab, die mir mal anvertraut wurde......die Folge war, die Mitarbeiterin mit der Nummer hat derbe Anschiss gekriegt und meiner Chefin wurde mit einer Versetzung angedroht....Soviel zum Thema Arbeit.
Viel witziger waren aber die Kunden.
Ich wohne in einen Randbezirk von Würzburg und hier sieht man fast alle sozialen Schichten - auch beim Einkaufen. Im Ghetto ging jeder einkaufen - egal ob Deutschpunker mit Rücksack, der Pfand abgibt um sich davon Schnaps zu holen; alte Oma mit ZUVIEL Kleingeld, deutsche Assis, die sich mehrmals täglich Klopfer und anderen Schnaps holen, als auch Familien mit Kindern.

Die witzigsten:
- Der "klassische" mit übellanger Vokuhila und Trainingsanzug - Kauft sich immer 12 Dosen Schloss-Bier und fragt wie es dir geht: "SCHMI SCHMA SCHMU HADUDA DADUDDADADADAD AAHLESGLARSCHEF?"
- die Zwergbrillenratte(benannt wegen der Ähnlichkeit mit Hubert Feuerstein): Sehr netter alter Mann, der sein Kleingeld nicht zählen kann, weil er schlecht sieht. Es hat jedesmal so viel Spaß gemacht, das Kleingeld von seiner rauhen Handoberfläche abzuzählen...mhhh diese handoberfläche.
- die Sinti und Roma Familie - 3 Kinder, eine Mama mit Kinderwagen. Sehr nette Leute. Einmal war ich nicht da, da passierte folgendes: Es gingen drei Anzeigen raus an diesen Tag - Einmal weil ein Typ sich drüber ausgekotzt hat, weil die Auszubildende die Preise(für den nächsten Tag, wie üblich) geändert hat, sie beleidigt hat und nicht gehen wollte, trotz eines ausgehändigten Hausverbots - Anzeige. Danach - Die Sinti-Familie klaut übel viel Zeug, kriegt eine Anzeige von den Supermarkt. Das meiste Zeug davon war im Kinderwagen versteckt. Danach pisst sich der ältere Sohn auf, weil er vom Bullen gegenn die Wand gedrückt wurde - Anzeige gegen den Bullen. Kaum ist man nicht da, verpasst man was.
- der Otto - seltsamer alternder Goth-Typ der ALLES mit Karte bezahlt und zwar so lange bis man sich seinen Namen zwangsgemerkt hat.
- der Glatzkopf mit Sonnenbrille - Meister Proper hat seine Tage hinter sich und holt sich von nun an täglich 2 Flaschen Schnaps.
- der "eine Russe":
Einkauf von Zigaretten....erfolgt von Einkauf von einen Karton Tetrapack-Wein:
Die Zigarettenmarke die er will heißt dabei "Power":
- "Gib.....................POH-WÄR...POH-WÄR!"
- "die hier?"
- "neiiiin, AHN-DE-RE!"
- "die hier?"
- "aahhhh, bljad, GIB BEIDE!"
- der "andere" Russe, von mir liebevoll Vitalik genannt:
Dieser Mensch hat mir echt Leid getan. Diversen Quellen zufolge ist er erst Anfang 20, sieht aber aus wie Anfang 50. Der Alkohol hat ihn so derbe kaputt gemacht, dass sein Sprachzentrum mittlerweile glaub ich angegriffen ist, er gegen unsichtbare Feinde kämpft und, dass er jeden erdenkliche Supermarktmülleimer in Lengfeld nach Pfand absucht um sich mehr Alk leisten zu können. Hinzu kommt noch seine Mutter - ja seine Mutter - Am Anfang dachte ich das wäre seine Frau so alt wie er ist. Sie "macht ihn das Leben schwer, verbietet zu saufen"....Dazu kommt noch, dass er sich in unsere Kassiererin Hansel verliebt hat, mehrere Rausschmiße kassiert hat und euren treuen Freund Stricher an der Kasse um Kohle angeschnorrt hat, oder so wenig Geld dabei hatte, dass man so gütig war und eine Bierflasche unbezahlt ließ. Zurück zu den Sprachproblem - so sah mal ein Gespräch mit ihm aus:

*bier eingepackt*
- "Bbbbbbbbb bbbbbbbb bbbbbbäbbääbäbäbäbääääbäbäääää bin ich dir noch was schuldig?"
- Nein.

Hiermit beende ich diese Geschichte, da meine anderen beiden Karrieren bei Edi und einen Café nicht so lustig abgelaufen sind wie im Ghetto.
Tschüß, alle miteinander!

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