Freitag, 30. Januar 2015

Geschichten, die keiner mag#43: #jesuisschlagmichtot

Ach du Scheiße. Das Jahr 2015 hat ganz schön heftig angefangen. Wobei "ganz schön heftig" ganz schön heftig untertrieben ist. Man findet selten Worte für solcherlei Gräueltaten. Ich hatte eigentlich vorgehabt ein paar kleine Geschichtchen zu schreiben, die mir in den letzten zehn Jahren widerfahren sind, u.a. über meine Oma (weil ich schon mal über meinen Opa geschrieben hab und sie dabei leider ziemlich außer acht gelassen hab). Aber dann kamen ein paar Terroristen in Paris um die Ecke und töteten ein paar Karikaturisten einer Zeitung. Was danach folgte, war eine hashtagwelle (#jesuischarlie), jede Menge Supporter (aus der richtigen und der falschen Ecke), jede Menge Gegentrends (#jenesaispaischarlie, #jesuisgaza, #jesuismohammed), einer Ficktonne an Verschwörungstheorien und allerlei Widerwärtigkeiten, sei es in Form von "Beweis"videos, Kommentaren, Bildern etc. Mir kommt immer noch die Galle hoch wenn ich daran denke. Und was mache ich, wenn mir die Galle kommt? Richtig, ich schreibe Geschichten die keiner mag.

Ich will nicht behaupten, dass die Nachricht "wie eine Bombe einschlug", sie ging nämlich beinahe ein mir vorbei. Habe es ganz zufällig im Radio auf der Arbeit mitbekommen. Japp. Sie klang nach "Islamisten haben Karikaturisten getötet, weil sie Mohammed (schlecht) dargestellt haben". Ich reagierte mit: "Woah, kacke. Scheiße ist das." Kommt wohl daher, dass ich an den Überfluss an schlechten Nachrichten aus allen Teilen der Welt leider viel zu sehr gewohnt bin. Das finde ich ehrlich gesagt, ziemlich Scheiße. Aber egal.

Nachdem das bekanntgegeben worden ist, solidarisierte man sich ziemlich schnell. Das hashtag #jesuischarlie ging um die Welt. Doch was ist da eigentlich passiert? Ein französisches Satiremagazin namens "Charlie Hebdo" veröffentlichte im Laufe seiner Karriere verschiedene Karikaturen die Religionen veräppelt haben. Das Christentum, das Judentum als auch immer wieder den Islam. Das passte ein paar Atttentätern (oder besser gesagt womöglich einem Terrornetzwerk) überhaupt nicht in den Kram. Ergo wurde die Redaktion umgebracht. Wie gesagt, solidarisierten sich etliche Leute mit den Opfern. Doch es kamen auch Reaktionen, wegen welcher ich immer noch den Kopf schüttel.

Es tauchten mal wieder Leute auf die auf jeden scheißbekackten Internettrend anspringen und sich natürlich ein #jesuischarlie-profilbild machen, weil "es alle so machen". Dazu kamen noch etliche antimuslimische Rassisten, wie beispielsweise in Deutschland die natürlich freiheitlich demokratische und überhaupt nicht naziverseuchte "Bürgerbewegung" PEGIDA. Diese hat es natürlich sofort für sich zu nutzen gewusst und hielt auf Demonstrationen und im Internet natürlich auch die #jesuischarlie-schilder. Und dann kamen natürlich auch noch die anderen komischen Leute, die behauptet haben dass das was geschehen ist natürlich schlimm war ABER man hätte die Karikaturen nicht veröffentlichen dürfen.

Das ist alles totaler Blödsinn. Ich verstehe das ganze wirklich nicht. Also beide Seiten nicht. Wie kann man, wie PEGIDA (die vor dem Anschlag gegen die Lügenpresse skandierten und nach dem Anschlagen für Pressefreiheit eintraten) und Konsorten ernsthaft behaupten dass dieser Anschlag der Beweis für die "Islamisierung des Abendlandes" ist? In den letzten 40-50 Jahren gab es immer wieder Anschläge und Morde durch islamistische Terroristen. Und klar existiert auch eine Einwanderung nach Deutschland, u.a. durch Moslems. Ich muss aber immer noch nicht jeden Morgen mich auf ein Teppich hinknien. Richtig, es gibt hier türkische Verbände, Zentren, muslimische Kinder in Kindergärten und ich werde nicht gezwungen "allahu akbar" rufend durch die Gegend zu rennen. Nope. Ehrlich gesagt erinnern mich Pegida und Konsorten an Islamisten bzw. Antizionisten. Sie rennen auch, teilweise bewaffnet in Mobs durch die Gegend, schreien "Allahu akbar!"/"Wir sind das Volk", hetzen gegen "Multikulti"/"dekadenten Westen". Meiner Meinung nach ist beides sich ziemlich ähnlich, außer natürlich dass man gegeneinander ist.

Was mich dabei richtig ankotzt, ist dass dieser Anschlag und die Reaktionen darauf es beinahe unmöglich machen den Islam vernünftig zu kritisieren bzw. über dieses Thema überhaupt zu sprechen. Ich finde es nämlich enorm wichtig, dass man diese Religion kritisieren darf und muss. Genauso wie man andere (Welt)Religionen kritisieren als auch verarschen darf. Nichts anderes hat Charlie Hebdo getan. Doch irgendwie scheint man das nicht zu checken. Eigentlich wäre es doch ein Zeichen von Gleichbehandlung wenn man den Islam wie die anderen Religionen kritisiert. Anstelle von permanenter Benutzung des Wortes "Islamophobie" wäre es angebrachter mal zu überlegen wann dieses Wort wirklich zutrifft. Ist es islamophob wenn ich die iranische Regierung kritisiere, wenn ich den politischen Islam wie er sich in der Öffentlichkeit gibt ablehne, wenn ich die Behandlung von Frauen in verschiedenen muslimischen Communities hinterfrage? Nope. Überhaupt nicht. Genauso wenig würde ich islamistischen Terrorismus fördern wenn ich muslimischen Flüchtlingen helfen würde oder mich nicht dran störe wenn jemand "halal" essen will.

Genauso nerven mich diese ganzen Pappnasen die sagen, diese Karikaturen hätten nicht veröffentlich werden dürfen (nachdem sie gesagt haben das attentat wäre schlimm ABER). Ganz ehrlich, auch wenn die Gesellschaft in der wir leben ziemlich am Arsch ist, so gibt es wenigstens halbwegs das Recht auf Meinungsfreiheit. So darf ich mich über jeden und jeden seine Religion auslassen wie ich möchte. Genauso wie sich der andere über meine Äußerungen auslassen darf. Er darf mich nur nicht wegen meiner Äußerungen töten bzw. mir den Kopf abhacken. Mit diesem klitzekleinen "aber" schafft man es, vllt. ohne Absicht das ganze Attentat zu rechtfertigen. Wie diese ganzen "Ich habe ja nichts gegen Ausländer ABER"-Sager.

Und noch mehr kotzen mich die Verschwörungstheorien an die noch am selben Tag entstanden sind. Man sagt, es waren keine Moslems, es war die CIA, der Mossad, Israel, es ist gestellt gewesen etc. pp. Oder noch besser: man dürfe keine Witze über Juden machen, aber über Moslems schon. Witze über Juden wären nämlich Antisemitismus. Was für ein Scheiß. Witz über Juden sind kein Antisemitismus. Es kommt drauf an, was man ausdrücken will. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man auf dem Rücken der Opfer so eine ekelhafte Ausschlachtung betreiben kann. Einer der schlimmsten dieser Sorte war meiner Meinung nach der "Journalist" Ken Jebsen der mit rassistischen Äußerungen begründet hat, dass der Anschlag gestellt sei. Die Täter sprachen nämlich perfektes Französisch, das Attentat verlief viel zu organisiert und unspontan. Ergo können es keine Moslems gewesen sein. Das fällt in den mindestens genauso hohen Grad der Ekligkeit wie die vermeintlichen "supporter" von Charlie Hebdo. Ziemlich traurig finde ich übrigens dass so gut wie niemanden sich mit dem Opfern vom Anschlag auf einen koscheren Supermarkt solidarisiert die kurz danach gestorben sind.

Meine Fresse, es ist doch so einfach. Lasst Kritik zu. Hinterfragt eure Religion. Egal welche. Auch wenn es euch nicht schmeckt. Religionen haben keine Rechte, Menschen schon. Es MUSS möglich sein, den Islam zu kritisieren ohne dafür in eine ekelhafte xenophobe, antimuslimische, rassistische Scheiße abzudriften und es muss möglich sein das zu tun ohne vom gegenüber sofort das Wort "Islamophobie" vor dem Latz geknallt zu bekommen.

Meine Freunde, seid friedlich zueinander. Salam und Shalom. Und vergesst nicht eure Unterhosen zu wechseln.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen