Viele Tolkien-Fans hatten es lange erwartet: Im Jahr 2022 kündigte Amazon Studios die Mittelerde-Serie Rings of Power an. Die Rechte an second age Stories (der Herr der Ringe spielt im third age of Middle Earth) hatte amazon einige Jahre zuvor erworben. Es gab anhand des veröffentlichten Materials bereits erste kritische Stimmen, aber das Gros der Fans wollte der Serie mit offener Haltung begegnen. Was dann konkret aber im August 2022 veröffentlicht wurde, sorgte für große Enttäuschung.
Die Serie in der ersten, wie aber auch in der zweiten Staffel 2024 war ein Big Fail auf vielen Ebenen. Die Story dreht sich primär um Galadriel und Elrond, wobei erstere überall Sauron sieht und versucht, diesen zu finden und zu töten. Am Ende der Staffel schmiedet ein getarnter und heimtückischer Sauron dann noch fix die Ringe mit Hilfe der Elben unter ihrem Fürsten Celebrimbor. Außerdem gibt es noch einen side plot mit Hobbits (hier Halblinge genannt, weil Amazon keine Rechte auf den Hobbitbegriff hat), der wenig sympathisch ist - diese Hobbits sind brutale Sozialdarwinisten - und deplatziert wirkt.
In der zweiten Staffel zieht ein ehemals versklavter, korrumpierter Elb mit seinen Orktruppen gegen Ost-in-Edhil, wo Celebrimbor die Ringe geschmiedet hat. Galadriel und Elrond versuchen ihren Verbündeten in der Region zu helfen, vergeblich allerdings. Sauron hat bereits sein Werk getan und übernimmt die Führung der Orkhorden am Ende. Die sozialdarwinistischen Hobbits sind derweil mit Proto-Gandalf gen Osten gezogen um dort…ja, was? Keiner weiß es so genau.
Zunächst ist die Story aber in sich, unabhängig vom Tolkien Universum, schlecht geschrieben. Die Charaktere verhalten sich unlogisch und oft nicht sinnvoll im Kontext des Geschehens. So springt Galadriel beispielsweise in Staffel 1 von einem Boot in Richtung Valinor, obwohl sie tausende Meilen vom Mittelerde-Festland entfernt ist. Selbst eine sportliche Elbin kann diesen Weg nicht
check out my hair, bunghole (Anm. d. Red.)
zurückschwimmen. Nach Valinor kann sie auch nicht. Logischerweise würde sie ertrinken. Die Serie ist voller Deus ex machina Momente, Charaktere tun ständig völlig wahnsinnige Dinge oder sind schlichtweg inkonsistent und/oder unsympathisch, die Story hat keinen erkennbaren roten Faden. So beschließt high king Gil-Galad, die Elben müssten Mittelerde verlassen, weil der Lebensbaum (?) vergiftet wäre. Kurze Zeit später ist dies schon wieder vergessen, weil ein kleines Klümpchen Mithril diesen angeblich geheilt hätte. Viele Charaktere wie Galadriel oder Gil-Galad wirken oft, untypisch für die Beschreibungen von Tolkien, extrem unfreundlich und sehr arrogant.
Und da kommt man dann zum eigentlichen Punkt: das ganze Spektakel hat nichts mit Tolkiens Welt zu tun. Die Story hält sich an keinster Weise an Tolkiens Storyline, nicht an lore, nicht an Charakterbeschreibungen - nichts stimmt und jeder, der auch nur zwei Seiten Tolkien gelesen hat, merkt das. Selbst wenn man nur Jacksons Filmreihe gesehen hat, spürt man den Gegensatz in dieser “amazonian” Version von Mittelerde. Mehr als ein paar Namen stimmen nicht überein. So ist Galadriel furchtbar kriegerisch, aufbrausend und unerwachsen, obwohl sie im zweiten Zeitalter Mittelerde bereits abertausende Jahre alt ist. Galadriel ist ein gescheiterter Versuch der Drehbuchautoren, eine starke Frau zu porträtieren - am Ende wirkt sie leider nur wie eine Frau, die versucht einen war lord zu imitieren. Man will sich bei amazon studios nicht damit abfinden, dass Tolkiens Welt eine relativ konservative ist, was Rollenverteilung betrifft. Natürlich könnte man dies auch zeigen und kritisch beleuchten, stattdessen verdreht man die Geschichten völlig. Mithril hat bei Tolkien keinerlei magische Wirkung, kein Elb hat sich mit einem Balrog um Bäume in Valinor geprügelt, Galadriels Mann Celeborn lebt definitiv im zweiten Zeitalter mit Galadriel in Eregion (wo Ost-in-Edhil ist) und Lindon, es gibt keine zwei Zwergenkönige Durin auf einmal, es gab kein Schwert um den Schicksalsberg Orodruin zum Ausbruch zu bringen und Gandalf kam nicht mit Amnesie in einem Meteoriten im zweiten Zeitalter nach Mittelerde. Auch werden Charaktere hinzugedichtet (was an sich ja annehmbar wäre bei Adaptionsveränderungen), die nichts zur Storyline beitragen und nur schlichtweg irgendwie gut aussehen sollen.
Was aber vor allem fehlt ist die echte Menschlichkeit der Charaktere in Rings of Power, die Motive von Freundschaft und Resilienz, von Hoffnung, Ewigkeit und (nicht zwangsläufig romantischer) Liebe, die Tolkiens Werke berühmt gemacht neben dem extensiven, fantastischen worldbuilding. Nichts davon ist zu spüren in Amazons Massenprodukt.
Die unnötige Zeitkompression bei Rings of Power macht die Serie endgültig inhaltlich kaputt. Statt eine Chance in Tolkiens “long-winded” Storytelling zu sehen, statt die Äonen an Zeit und Geschichte, das langsame Rad der Zeit in Mittelerde für sich zu nutzen lässt man alles auf einmal geschehen für maximale Actionladung und “einfache” Darstellung. Die drei elbischen Ringe der Macht (role credits) werden gefühlt an einem Nachmittag zwischen Kuchenbuffet und Abendessen geschmiedet (laut Tolkien übrigens nicht direkt mit Saurons Einfluss oder Wissen wie in der Serie gezeigt).
Viele loben jedoch die schönen Bilder, die Rings of Power zeigt. Und ja, das CGI wie auch einige Sets sind sehr schön und liebevoll gemacht, aber sie trösten nicht über die vor Unlogik strotzende Inhaltsleere, den fehlenden Mittelerde-Mythos und die grob unsympathischen Charaktere hinweg. Selbst die schönen Sets scheitern aber oft: zumeist wirkt es eben wie genau das - ein Set. Die Charaktere sind entweder zu poliert (Elbische Elvis-Frisuren z.B.) aussehend oder unnötig dreckig und verkommen. Es wirkt nicht wie Jacksons Mittelerde, wo die Charaktere wie Frodo und Gandalf schlichtweg…echt aussahen in einem echt wirkenden Setting. Jacksons Filme sind nicht umsonst Klassiker der (Fantasy)Filmgeschichte und für viele Menschen ein geliebtes Werk, ähnlich beliebt wie Tolkiens Schriftzeugnisse selbst.

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