Sonntag, 11. Mai 2025

So isses, Musik!#189

CRASS Discography: Christ - The Album (1982)

Viertes Album von CRASS. Und wahrscheinlich eins, das ich für diese Review-Reihe am meisten gehört habe. Mehrere Songs von diesem Album verweilten schon Jahre lang auf meinen verschiedenen MP3-Playern, jedoch habe ich das Album noch nie als Ganzes gehört. Es sind zwei Platten bzw. zwei CDs. Auf der ersten befindet sich das eigentliche neue Album, auf der anderen ein Live-Mitschnitt eines Konzerts in Club "100". 


"Christ" ist kein Konzeptalbum über das Leben von Jesus Christus. Es fühlt sich trotzdem an als würde es ein Moment aus einem Leben erzählen. Und zwar das einer Band, die zur Zeit des Kalten Kriegs als auch des Falkland Kriegs aktiv war. Im ersten Song "Have a nice Day" nimmt die Band sich selbst auf die Schippe. Von wegen, sie könnten nichts anderes außer auf das System und auf den Krieg schimpfen und sie hätten kein Bisschen Humor. "Mother Love" behandelt toxische Beziehungen zwischen Eltern und Kindern bzw. solche in welchen die Kinder nur zum Vorzeigen da sind und geliebt werden bis sie anfangen ihre eigenen unabhängigen Gedanken zu äußern. "Nineteen Eighty Bore" ist eine Abrechnung mit dem Entertainment Programm im Fernsehen bzw. eine Kritik an dem Wegschauen des durchschnittlichen Bürgers vor all Ungerechtigkeiten in der Welt und Hinschauen zu irgendwelchen TV-Sendungen. Den Höhepunkt bildet, meiner Meinung nach, der Abschlußtrack "Major General Despair". Ein, wieder mal, sehr guter Anti-(Atom-)Kriegssong der eine durchaus berechtigte Frage stellt, nämlich: "Ist es ein Teil von Ihnen der gestorben ist, sodass sie das tun was sie tun oder sind wir tot, verstecken wir uns vor unserer Verantwortung sie aufzuhalten in ihrem mörderischen tun?"

Alles Jahre wieder kehre ich zu CRASS zurück und stelle immer wieder fest wie oft sie recht hatten. Auch wenn die Musik teils super primitiv ist, ist es doch ein absolutes Zeitzeugnis von einer mehr als schwierigen Zeit. Hier gibt es wenig bis kaum Experimente, außer ein paar Bläser. Ansonsten ist es purer, rauer, Anarcho Punk.

8,5/10 Pfandflaschen
Anspieltipps: Major General Despair, Greatest Working Class Rip-Off, Nineteen Eighty Bore



Primus Discography: The Desaturating Seven (2017)

Neuntes und bis dahin letztes Album von Primus. Aber keine Sorge, die 2020 erschienene EP "Conspiranoid" findet auch noch ihren Weg hierhin.

"The Desaturating Seven" ist nach "Primus & The Chocolate Factory..." schon das zweite Konzeptalbum der Band. Tim Alexander ist hier immer noch (bzw. wieder) Teil der Besetzung. Es handelt sich um ein Album welches auf dem Kinderbuch "The Rainbow Goblins" des italienischen Autors Ul De Rico. Tatsächlich ist es schon das zweite Mal, dass ein Album im Zusammenhang mit
diesem Buch rausgebracht wurde, wenn man "The Rainbow Goblins" von Masayoshi Takanaka (von 1981) miteinbezieht. Ich weiß nicht, worum es in dem Buch geht. Tatsache ist, dass Les Claypool früher gerne seinen Kindern daraus vorgelesen hat.

Ähnlich wie beim Vorgänger finden sich hier kaum Elemente die für Old School Primus typisch sind. Was heißt "kaum"? Eigentlich gar nicht. Es gibt keinen funkigen superduperweirden Crossover mit Polka-Elementen. Nein. Stattdessen haben wir reinsten progressiven psychedelischen Rock, der stets auf leisen Sohlen tritt und erstaunlich wenig bombastisch ist. Claypools Gesang klingt wie eine obskure Lautmalerei, Alexanders und LaLondes Schlagzeug- bzw. Gitarrenspiel wie eine endlose Jamsession im Hintergrund. Insgesamt klingt es wie "biiiimm biiiiim biuuueeeeeeahhhh mbiumm dummdumdumdumdumdumd pipipipipipipi". Ich hatte wirklich Schwierigkeiten, richtigen Zugang hierfür zufinden. Primus schaffen es mal wieder, sich selbst zu toppen. Es ist weirder als sonst, aber gleichzeitig sehr kompakt. Insgesamt dauert das Album nämlich eine knappe halbe Stunde. Bis dahin das kürzeste Werk von Primus. Hört sich für mich an, als hätten Rush ein Psychedelic Rock Album aufgenommen. Wahrlich virtuos und unfassbar strange.

7,5/10 Pfandflaschen
Anspieltipps: Man muss das Album tatsächlich als Gesamtwerk betrachten. Von daher kann ich nur empfehlen, sich alle Songs reinzuziehen.

Und weil drei Meinungen besser sind als eine, hier kommt...

Philipp:

"Neuntes und (bisher) letztes wirkliches Album von Primus, letztes mit Herb am Schlagzeug, außer der Band selbst ist noch Jürgen Kanzler von Werkzeug als Erzähler (nur The Valley) beteiligt.
Ein weiteres Konzeptalbum, das auf einem Kinderbuch basiert, hierbei geht es um 7 trumpistische Alpha-Kobolde, die versuchen, dem woken Wahnsinn Einhalt zu gebieten, indem sie die Farben des LGBTIQ*-Regenbogens aussaugen (oder so). Nee,
Späßle, das hier hat absolut keinen politischen Hintergrund, sondern basiert einfach auf einer Kindergeschichte, die Daddy Claypool gerne vorgelesen hat. Dieses Album ist recht Primus-untypisch sehr prog-lastig, im Sinne von King Crimson oder Pink Floyd, 7 Songs, einige kurze, einige in Überlänge, weder herausstechende Hits noch irgendwie langatmig oder langweilig, im Endeffekt auch nach etwas mehr als einer halben Stunde durchgelaufen. Die 7 (!) Songtitel beginnen übrigens alle mit "The" und bestehen aus einzelnen Substantiven. Just for shits and giggles. Man merkt einfach, dass die 3 Akteure ihr Handwerk verstehen und zu diesem Punkt ihrer Karriere - wie auch zu jedem anderen - einfach machen, worauf sie Bock haben. 
Die Atmosphäre der Musik passt hierbei zu der Geschichte tatsächlich wie die Faust aufs Auge, sowohl etwas düster als auch schelmisch, irgendwie Koboldmusik haha. 

7(lol)/10 Pfandflaschen


Anspieltipps: The Seven, The Scheme, The Dream"

Raphael:

"Sieben Goblins, sieben Tracks. Ja, es gibt tatsächlich direkt nach „Primus & The Chocolate Factory with The Fungi Ensemble“ noch ein Konzeptalbum. Dieses Mal haben Les Claypool, Larry LaLonde und Tim Alexander allerdings keinen Soundtrack neu eingespielt, sondern haben sich vom Kinderbuch „The Rainbow Goblins“ von Ul de Rico inspirieren lassen. Les Claypools Kinder haben dieses Buch wohl oft vorgelesen bekommen und ihr Vater war begeistert vom Artwork. Außerdem sind Goblins immer ein guter thematischer Aufhänger; das wusste nicht nur Frank Zappa.

Primus Album Nummer Neun wurde übrigens recht kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag veröffentlicht, und ich habe damals absolut nichts davon mitbekommen. Das Jahr 2017 wurde außerdem von der ersten Amtseinführung von Donald John Trump als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, von der Einführung der Ehe für alle in der Bundesrepublik Deutschland, sowie vom Militärputsch gegen den simbabwischen Präsidenten Robert Mugabe geprägt. Des Weiteren war der Waldkauz Vogel des Jahres und das Akademische Gymnasium Salzburg feierte sein vierhundertstes Gründungsjubiläum.

Noch ein Konzeptalbum also? Ob das wohl gut geht? Ich kürze ab: ja. Dafür gibt es vorrangig zwei Begründungen: zum einen ist „The Rainbow Goblins“ nicht so massiv von popkultureller Prominenz aufgeladen wie „Charlie & The Chocolate Factory“, und damit lässt die Thematik auch mehr Raum für Fantasie. Außerdem wurde die Musik auch „The Rainbow Goblins“ von Primus geschrieben und ist keine Reinterpretation eines bereits bestehenden Werkes. Und daraus ergibt sich der zweite positive Aspekt, nämlich dass Primus wieder viel mehr nach Primus klingen als auf der vorrangigen Reise zu den Oompa Loompas. Oder tun sie das? Nun ja, hier kann man zweierlei Maß ansetzen. Ist der Funk zurück und haut sich der Bass wieder erfolgreich in das Zentrum des musikalischen Fokus? Zweifelsohne. Aber knüpfen Primus auch die Sounds ihrer vorigen Alben an? Hier wird es komplizierter, denn „The Desaturating Seven“ stellt eine große Umstellung in der musikalischen Ausrichtung dar. Die Ausflüge in die Regionen des Metal sind längst abgelegt, und obgleich sie den basslastigen Funk nach wie vor zelebrieren, sind Primus hier deutlich in Richtung Prog Rock abgedriftet. Und dabei ist ein kompaktes, farbenfrohes und sehr unterhaltsames Album entstanden, das in eine faszinierende Welt einlädt, ohne pathetisch oder pompös zu nerven.
8/10 Pfandflaschen

Anspieltipps: The Trek, The Storm"





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