Mittwoch, 31. Mai 2023

So isses, Musik!#166

Slime Discography: Viva La Muerte (1992)

Album nummer vier. Das erste Album nach der ersten Reunion. Darüber waren nicht alle erfreut. Jens Rachut, die ungewollte so betitelte Legende der Hamburger Punkszene und Sänger verschiedenster Bands widmete Slime sogar einen Song. In "Schleim" der Band Blumen am Arsch der Hölle heißt es "Ihr wisst es so genau/Ihr Bands, die sich zurückbilden und neuformiern/Ihr wisst es alle/Und alle/Revival stinkt/Es stinkt/Und stinkt". Ich hatte tatsächlich diesen Song, oder habe ihn irgendwo, konnte aber den Text nie verstehen. Slime haben hierauf geantwortet mit "Besserwisserei stinkt", was textlich in eine ähnliche Kerbe haut: "Besserwisserei stinkt, sie stinkt, sie stinkt". "Viva La Muerte" ist ein sehr umstrittenes Album gewesen. Die damalige Punkszene war sehr wahrscheinlich enttäuscht von einer Entwicklung in eine andere Richtung gewesen. Anders als auf "Alle gegen Alle" erwartet uns hier kein Hardcore Punk in Stile von Black Flag oder Dead Kennedys sondern viel mehr
deutschsprachiger...naja Alternative Rock mit Metal- und Punk-Elementen. Und unfassbar guten, nachdenklichen Texten. Dirk Jora scheint sogar singen gelernt zu haben. Der Titeltrack ist ein unfassbar schöner Song, der aus der guten Zeit der Toten Hosen hätte stammen können. Tatsächlich haben sie diesen auch auf dem "Alle Gegen Alle"-Tribute Sampler gecovert. Es handelt von kolonialistischen Kriegsverbrechen. "Wind" ist ebenfalls sehr cool. Ich kannte den Song sogar schon vorher, wusste aber nicht dass er von diesem, umstrittenen Album stammt. "Seekarten" ist ein weiterer Widerstandssong gegen Staatsgewalt und Neo-Nazi-Gefahr, inspiriert von "Ins Lesebuch für die Oberstufe" von Hans Magnus Enzensberger. Mit "Wir lieben die Stürme" gibt es sowas wie ein Sequel zu "Störtebeker". Inhaltlich geht es im Prinzip um dasselbe. Der erste Song "Mensch" behandelt Nazi-Gewalt nur diesmal geht es um die Opfer, die aus Sicht der Nazis keine Menschen waren. Ich finde es krass, wie großartig textlich betrachtet dieses Album ist. "Red nicht - geh los" hätte auch auf dem Vorgänger erscheinen können, heißt aber nicht dass es weniger "reif" ist. Einen Spaß erlauben sich Slime trotzdem. Sie covern zum Ende hin das Volkslied "Lustig Lustig" und implentieren Elemente aus "Pretty Vacant" von Sex Pistols und .... "The Final Countdown" von Europe. Fragt sich, ob das nötig war. Allerdings ist das ein unfassbar witziges Durchhalte-Sauf-Lied, dass zwar nicht mehr wirklich zur Band gepasst hätte - könnte man sagen. Aber irgendwie schon. Aus irgendeinem Grund gefällt mir das. Wahrscheinlich weil ich früher mit beiden ausgebreiteten Armen auf Konzerten stand und rumgebrüllt habe. 

Meiner Meinung nach hätte das Album eventuell ein paar Songs weniger vertragen können. Vielleicht hätte "Unsterblich" weg gekonnt. Oder "Wir haben dich wieder" oder "Haut zu Stein". Letzter Song ist zwar gut, aber meiner Meinung nach etwas zu sehr balladesk. Insgesamt finde ich aber, dass das Album insgesamt viel zu schlecht bewertet wurde. Es ist nämlich ein wunderbares, absolut hammermäßiges nicht-Deutschpunk-Album. Man versucht sich in wesentlich reiferen Texten und es klappt. Musikalisch ebenso. Um den Unterschied zu früher zu bemerken: Man vergleiche einfach mal "D.O.R.F." und "Mensch". Ich weiß, zwei unterschiedliche Themen, aber nur um zu merken wie krass Slime sich verändert haben könnte man den Vergleich ziehen. Fazit: Absolut fantastisches, erwachsenes Album dass viel mehr Beachtung verdient hat.

8,75/10 Pfandflaschen

Und weil drei Meinungen besser sind als eine, hier kommt

Philipp:

"Puh, ein schwieriges Album, irgendwie. Ich rede (und das weiß jeder, der sich regelmäßig mit mir über Musik unterhält) sehr gerne von Übergangsalben, oftmals erscheinen sie nach einer Reunion (wie in diesem Falle) oder einem einschneidenden Besetzungswechsel, sie sind nichts halbes und nichts ganzes und stellen irgendwie den unglücklichen Übergang zwischen zwei wirklich guten Alben dar, ohne sie wäre aber das darauffolgende Album nicht möglich. Bei Viva La Muerte ist genau dies der Fall, deshalb kann man dem Album gar nicht übelnehmen, dass es unausgegoren und halbgar ist, Slime waren nach dem fulminanten „Alle Gegen Alle“ einfach explodiert und hatten sich als eine politische Band wie Slime zunehmend notwendiger und wichtiger wurde (Anfang der 90er, Häufung neonazistischer Übergriffe und Brandanschläge) letztendlich wieder gefunden, nicht zur Freude aller (vgl. Rachut, der das ganze übrigens nicht so ganz erst meinte und damit ein wenig seiner Frustration Luft machte, dass sein Kumpel Stephan keine Zeit mehr hatte, mit ihm in einer Band zu spielen).

Politik spielt auch auf diesem Album eine wichtige Rolle, wenn auch um einiges verklausulierter und weniger geradeaus, genauso wichtig wurden spätestens mit diesem Album persönliche und emotionalere Lieder. Der Platz zwischen den beiden wurde mit unnötigen Covern und Seemannsliedern gefüllt, warum, weiß nur der Schleim höchstselbst. 

Generell muss ich sagen mag ich einige Lieder dieses Albums wirklich, der Rest ist aber echt so seltsam und unausgegoren, dass ich mich hin und wieder frage, was das eigentlich soll, es ist wirklich sehr durchwachsen und deutschrockig, Slime hatten sich irgendwie auf eine unangenehme Art und Weise zu den linken Onkelz entwickelt.

Ungeachtet dessen verhelfen sowohl der Übergangs-Status als auch die teilweise doch sehr guten Songs diesem Album zu

6/10 Pfandflaschen

Anspieltipps: Seekarten, Wind, Haut zu Stein"

Raphael:

Slime 1992 (Foto: VDM)
"Nach einer kleinen Pause waren Slime im Jahr 1992 mit ihrem vierten Album „Viva la Muerte“ zurück. Es ist das erste Slime Album seit der sogenannten Wiedervereinigung und das erste Album von Slime in den Baseballschlägerjahren. Und genau diese Zeit wird im ersten Song „Mensch“ thematisiert. Betrachtet man die rechten Gewaltexzesse im Zusammenhang mit einer untätigen Staatsgewalt von damals und vergleicht sie mit den Entwicklungen der letzten Jahre, beginnt das Album wirklich düster. Direkt danach kommen schunkelige Seefahrerlieder, die mal schneller und mal langsamer die Gehörgänge mit Meersalz einreiben. Abwechslung bringen „Schmeiß es hin“ und „Unsterblich“, ohne dass diese Lieder großartig Besserung mit sich bringen. Slime verlieren hier auf verschiedene Weisen die Aufmerksamkeit ihrer Hörer*innen. Ob Shanty, folkloristisch angehauchter Rock oder melodischer Mitsing-Punk, irgendwie zündet hier nichts. Stattdessen klingt alles ein bisschen nach Schlager. Der religionskritische Song „Im Namen des Herrn“ stellt nach „Mensch“ den bisherigen Höhepunkt des Albums dar. Dafür folgt mit „Haut zu Stein“ eine absolute Gähnnummer. Nach dem ziemlich belanglosen aber immerhin nicht furchtbaren „Gegen die Zeit“ wird wieder die Cringe-Peitsche geschwungen: die Version von „Wir lieben die Stürme“ hätte auch von den Amigos sein können, und ist von vorne bis hinten nur unangenehm. Danach erscheint das Rachut-eske „Wir haben dich wieder“ wie die wahrhaftige Wiederkehr des verlorenen Sohnes – obwohl dieses Lied, wenn man es isoliert anhört, kaum mehr als die Skip-Taste verdient. Nach all der Peinlichkeit und Unnötigkeit gibt es mit „Besserwisserei stinkt“ und „Krüppel“ doch noch zwei Tracks, die an „Alle gegen Alle“ erinnern. Sind alle Folk Songs auf „Viva La Muerte“ peinlich? Nein! Die Slime Version von Eric Bogle’s „My youngest Son“ kann man sich tatsächlich geben. Und bevor mit „Lustig lustig“ der finale Tiefpunkt des Albums erreicht wird, lässt „Red nicht – geh los“ den Langspieler noch etwas besser erscheinen als er ist.

Im Großen und Ganzen bleibt aber eine Frage offen: was soll das? „Viva La Muerte“ hätte ein großartiges politisches und starkes Punk Rock Album werden können. Stattdessen trällern Slime Shantys, schunkeln sich bis in die endlose Seekrankheit und versenken sich erfolgreich in der Belanglosigkeit. Als das Album erschien haben Kritiker*innen wohl den Ausverkauf gewittert. Einunddreißig Jahre später würde ich eher Einfallslosigkeit und Dummsuff attestieren. Wenn ich schlechten Punk Rock mit Seefahrtsromantik hören will, höre ich Volxsturm.
Bewertung: 3/10 Pfandflaschen
Anspieltipps: „Mensch“, „Im Namen des Herrn“"



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Was läuft sonst?

Dodheimsgard haben ihr neues Album "Black medium Current" rausgebracht. Ich habe bis jetzt leider nicht sehr viel hören können, weil mein Fokus auf anderen Dingen lag. Aber das was ich gehört habe, ist sehr schön. 



Ich war letzten Monat auf der neuesten Ausgabe des Culthe Fest und habe unter anderem Wolvennest, Sun Worship und The Ruins of Beverast gelauscht. Ich kann diese Bands HERZLICHST empfehlen. Nach den Auftritten liefen diese Alben hier auf Dauerschleife. 

Wolvennest - Temple

Sun Worship - Emanations of Desolation

The Ruins of Beverast - The Thule Grimoires

Wargasm sind eine Nu Metal/Alternative Rock Band aus UK. Es ist nicht überraschend, dass mir das gefällt. Waren letztens auf Tour mit Limp Bizkit. "D.R.I.L.D.O." ist ein sehr Techno-lastiger Track, der mich an eine technoide Version von Slipknot erinnert.


Ich habe vor einiger Zeit ein riesiges, übelst langes Video gesehen, worin 200+ Metal-Genres erklärt wurden. Daraufhin habe ich einige Bands nachrecherchiert und beschlossen, sie hier einzubinden. Das sind nur einige. Es gab noch mehr interessantes.

"Exercise and Hell" von Maruousa ist ein spektauläres Cybergrind-Album. Es ist so unfassbar primitiv und hört sich an als wäre jemand, brennend, eine Mülltonne umarmend (die auch brennt), die Treppe runterfallen. Großartig. Hier findet ihr das Album auf YouTube und hier auf Bandcamp.

In der Schublade "Black'N'Roll" wurde eine russische Band namens SHLEM vorgestellt. Der Name bedeutet sowas wie "Helm". Man bezieht sich wohl auf einen Biker-Helm um das ganze sehr Rock'N'Rollig zu gestalten. Das Logo ist einfach mal in derselben Schriftart wie das der Doom Metal Pioniere Pentagram gestaltet. Jedenfalls habe ich nach einen Song gesucht und habe stattdessen einen Rapper aus Kyiv gefunden, der sich ebenfalls SHLEM nennt. Hier, beides:




Iperyt mit "Particular Hatred". Industrial Black Metal aus Polen. Alter sind diese Texte durch. Sowas von durch und voll mit Hass. Hat der Typ der das geschrieben hat Lack gesoffen? :D Ach du Scheiße xDDD



"Among the Lost" von Mortuous ist ein 2012 erschienenes Death Metal Demo. Ich weiß nicht mehr ob ich es durch das bereits oben erwähnte Video gefunden habe oder nicht. Es ist so stumpf und primitiv. Aber das Artwork ist geil. Hier gehts zu YouTube

S:

Weiter geht es mit meiner digitalen Musiksammlung. Ich bin immer noch bei S und musste leider letztens abbrechen, weil es mir auf Dauer doch etwas zu...eintönig bzw. nervig wurde. Das heißt, dass ich bis zur nächsten Ausgabe nicht weiter gehört habe.

"The Kids Will Have Their Say" von SSD ist ehrlich gesagt nur halb so cool wie ich es in Erinnerung hatte. Aggressiver Hardcore Punk der alten Schule, wovon leider nicht all zu viel hängen bleibt.Vor nicht allzu langer Zeit habe ich "Perpetuum Mobile" des Industrial-Projektes STADT reviewt. Es ist nach wie vor absolut großartig. Das findet ihr hier."Island of Lost Souls" von Stage Frite ist ein durchaus okayes, wenn auch nicht sonderlich spektakuläres Psychobilly-Werk. 

"Wallow in Squallor" von State of Fear ist eine weitere, nicht besonders spektakuläre Crust Punk-EP. Selbstverständlich habe ich auch die beiden hier und hier reviewten Static-X Alben "Wisconsin Death Trip" und "Machine" gehört.

Steve-O (ehemals Jackass) hat irgendwann mal ein Hip-Hop-Album namens "The Dumbest Asshole In Hip-Hop" aufgenommen. Wieso auch immer besitze ich es. Es ist scheiße. Aus irgendeinem Grund hat sich ein Ordner des Rappers Spax in den Steve-O-Ordner verirrt. Das war wiederum ganz gut, wenn auch mich die nachdenklichen Lyrics nicht ganz mitnehmen. Jedenfalls, hier beides:





In dem Ordner von Stockyard Stoics befand sich irgendwie drei Mal dasselbe Material der Streetpunk Band. Meiner Meinung nach sehr gutes Material. Streetpunk der besseren, melodischeren Sorte:



"Fuck Fresno" von Straight Edge Kegger ist eine fantastische Hardcore Punk/Powerviolence Platte, die mit unfassbar schiefen und kreischenden Vocals daherkommt. Genug Journalistensprech, hörts euch an:



Irgendwann habe ich mir scheinbar eine Best-Of von den Stray Cats - der ersten Band von Brian Setzer runtergeladen. Aus heutiger Sicht teils echt unhörbar. Diese Art von Rockabilly spricht mich nicht wirklich an. Insbesondere bei Songtiteln wie "She's Sexy + 17". 1983 muss Brian Setzer Anfang 20 gewesen sein, also als das Lied rausgekommen ist. Vielleicht ist die Ausrede ja, dass es aus einer Vergangenheits-Ich Position geschrieben wurde oder dass man irgendwas auf "Queen" reimen wollte. Naja. "End Position" von Street Sects ist ein großartiges punkiges Industrial Rock Album, dass ich hier mal reviewt habe. Schon lange nicht gehört, was ein Fehler ist. Es ist nämlich super. 


"Ich klau Essen im REWE, du bist hart kriminell, ich beschaffe illegal Toastbrot für die Welt, du suchst überall nach Drogen, sogar in meinem Arsch, ich kack dir ins Gesicht, untersuchst du mich rektal? Ich habe mit Vorladungen meine Einraumwohnung tapeziert und schreie beim Gerichtstermin Geschworene an: "JETZT IST KRIIIIIEG!". Schieß doch Bulle, denn ich begehe 'ne Straftat, scheißegal ob PKW, zu Fuß oder mit Fahrrad - du bist in deiner Abteilung der Held, denn du hast meine Identität festgestellt. Wegen Sachbeschädigung und BTMG und Hausfriedensbruch und weil ich leb'. Die Menge applaudiert wenn die Pferdestaffel kommt und die Festnahmeeinheit trampelt über meinen Kopf. Du guckst mir in meinen Arsch, du guckst mir in meinen Arsch - ich lasse einen fahren. Du guckst mir in meinen Arsch, du guckst mir in meinen Arsch - ich lasse einen fahren."

So oder so ähnlich klingt der Part von Gossenboss mit Zett in den Track "Handschellenrave" der Rapcrew Stupidozid. Back in the day, als ich noch jung und lustig war und manchmal auch Pfand gesammelt hab, haben meine Punkerfreunde und ich unfassbar viel Stupidozid gepumpt. Mittlerweile ist die Crew aufgelöst. Zweifellos die besten MCs aus dieser Sparte des Dresdner Rapgames waren damals Gosse (wie bereits erwähnt, damals bei Stupidozid) und Joca (damals bei KapuDDniks, heute bei Neustädter Harz). Die Crew war gleichzeitig auch ein Label, dass auf seiner Homepage zumindest in den Jahren 2009 und 2010 Weihnachtskalender rausgebracht hat. Jeden der 24 Tage gab es einen neuen Track umsonst zum runterladen. Darunter einige absolute Perlen wie "Fensterblick" (Gosse und Joca), das Remix zu "Mülltonne" namens "Du Hast Dreck Am Stecken" und viele andere. Auch gab es Mixtapes, sogenannte "Müschbänder". Ich hatte die #2 und #3. Rückblickend betrachtet ist es etwas fragwürdig, dass Stupidozid für eines ihrer Logos einfach die SS-Runen genommen haben und dabei die rechte spiegelverkehrt haben sodass ein SZ entsteht. Andererseits: Was soll's. Es ist ein einziges Hit & Miss. Absolute Perlen und tatsächlich auch größter Müll.



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