Donnerstag, 31. März 2022

Geschichten, die keiner mag#52: Идите на хуй.

Hallo, ihr alle.

Ich habe schon lange nicht an dieser Rubrik gearbeitet. Genauer gesagt ein Jahr oder zwei. Naja, das ist nicht genau gesagt. Jedenfalls ist der letzte Beitrag, meine ich, ein Jahr her. Da gings um Pandemie und solche Sachen. Ich fühle mich momentan so, dass ich zur aktuellen Lage irgendwas sagen muss. Oder sollte. 

Seitdem Wladimir Putin, der seit (fast ununterbrochen) 22 Jahren amtierende Präsident Russlands, einen Großangriff auf das Nachbarland Ukraine gestartet hat ist die Welt, oder zumindest die westliche Welt nicht mehr dieselbe wie sie war. Ein Despot, der seine Bevölkerung erfolgreich auf allen Kanälen zombifiziert hat und sie zu braven gehorsamen Schäfchen erzogen hat, ist ein anderes Land eingedrungen. Was danach und währenddessen passiert, ist das alle sich alles sehr einfach machen.

Putin und seine Speichellecker Anhänger behaupten stets dies wäre eine "militärische Operation" die nötig ist, weil Ukraine von Nazis in der Regierung besetzt wird, die die friedliche Bevölkerung terrorisieren. Diese muss von ihnen befreit werden und wird die russischen "Befreier"-Soldaten mit offenen Armen empfangen. Putin selbst weiß, dass es nicht der Fall sein wird - hat aber seine Befehlshaber das so an die einfachsten aller Soldaten (Wehrpflichtige und Vertragssoldaten) weitergeben lassen, sodass sie unter falschen Vorbehalt eingedrungen sind. Ich rede nicht von Kampfflieger-Piloten die ganz genau wissen was sie tun, während sie friedliche Städte bombardieren. Sondern von einfachen Jungs, die knapp 10-12 Jahre jünger sind als ich. Bis zum Zeitpunkt ihrer Kriegsgefangenschaft wissen sie wirklich nicht was sie tun. Sie denken sie fahren zu irgendeinem Manöver oder Übungen und landen dann in der Ukraine, werden von allen Seiten beschossen. Sterben. Verlieren Körperteile. Es ist wohl doch nicht so einfach wie gedacht.

Der ganze Einmarsch sollte wie ein Blitzkrieg ablaufen und allerhöchstens zwei Wochen brauchen. Was am Ende kam waren zerstörte russische Militär-Kolonnen, abgefackelte Panzer, in den Panzer lebendig verbrannte russische Soldaten und eine ukrainische Bevölkerung die sie anstelle mit Brot und Salz und offenen Armen mit Molotov Cocktails und umgestalteten Ortsschildern begrüßt auf welchen "Verpisst euch!" steht. Es ist wohl doch nicht so einfach wie gedacht.

Währenddessen wird Russland mit Sanktionien aus aller Welt überhäuft. Massenhaft Unternehmen verlassen das Land. Leute verlieren ihre Jobs und verlassen ihre Heimat. Haufenweise kluge Köpfe, IT-Unternehmer, Programmierer hauen einfach ab. Jeder der nur ein Bisschen Menschenwürde behalten will, verpisst sich von dort. In der Öffentlichkeit heißt es, dass "die Sanktionen nur dem Westen schaden werden und Russland stärker hervorgehen wird". Es ist wohl doch nicht so einfach wie gedacht.

Es existieren natürlich noch Oppositionelle Politiker und Aktivisten in Russland, die auf die Straße geganen sind. Und natürlich auch einfache Bürger. Allerdings hat die Regierung jeglichen Protest verunmöglicht. Es ist verboten das Wort "Krieg" im Zusammenhang mit dem Krieg in den Mund zu nehmen. Sonst drohen einem bis zu 15 Jahre Haft. Es ist verboten "Fake News" zu verbreiten, die waschechte Aufnahmen sind. Sonst drohen einem bis zu 15 Jahre Haft. Die westliche Öffentlichkeit weiß, dass nicht jeder Russe diesen Krieg unterstützt und appelliert an die Bevölkerung aufzustehen und sich gegen das Regime zu stellen. Nur ist es einfacher in den USA sich auf die Straße zu stellen und zu brüllen dass Joe Biden nach pipi und kaka stinkt als in Russland mit einem LEEREN BLATT PAPIER auf der Straße zu stehen. Für letzteres wird man ebenfalls verhaftet. Genauso wie für das Halten eines Blattes auf dem "ZWEI WORTE" (synonym für "Net Wojne"(Nein zum Krieg)) steht. Es ist.... ihr wisst schon.

Ich habe vor knapp einen Monat ein Instagram-Video veröffentlicht indem ich ebenfalls ein Appell an die Russen gemacht hab. Nicht nur ich, sondern auch andere haben russische Mütter aufgerufen die "Wojenkomaty" (also die Militärstellen) zu blockieren oder von ihnen zu verlangen zu erfahren wo ihre Söhne sind. Es haben sich Soldaten in Russland auch mittlerweile geweigert in den Krieg zu ziehen. Es ist nicht so einfach wie gedacht, aber die Möglichkeiten gibt es. Es ist besser wegen Kriegsdienstverweigerung oder Deserteurtum bestraft zu werden als als Bodendünger in der Ukraine zu enden. 

Meine Situation und die vieler junger Russen ist momentan nicht ganz so einfach. Natürlich nicht zu vergleichen mit dem Leid ukrainischer Frauen und Kinder in Mariupol die in einem Krankenhaus mit Brocken zugeschüttet wurden, weil das russische Militär es für eine Militärbasis hält (als ob). Und auch nicht mit den anderen, die dort grade ohne Essen und Wasser und Heizung aushalten müssen weil das russische Militär jegliche Evakuierung blockiert. Genauso wie Leningrad damals übrigens. Es ist nicht zu vergleichen. Was ich sagen will: Dieser Krieg zerreißt Familien. Physisch (also wortwörtlich) und psychisch. Viele junge Leute sehen sich einer Armada an zombifizierten Eltern/Großeltern gegenübergestellt, die ewig und für 1000 Tage immer das gleiche labern. Der Westen ist schuld. Die USA ist schuld. Die NATO ist schuld. In der Ukraine sind Nazis und es gibt dort normale Ukraine, die gleichzeitig auch Russen sind weil Ukraine gehörte schon immer zu Russland und diese Leute wollen zu uns zurück und sie möchten von diesen Nazis befreit werden und die Nazis schießen auf sie und zerstören ihre Häuser und sagen dass es Russen waren. Man schämt sich für seine Eltern, für seine Großteltern und irgendwo auch für seine Herkunft. Es ist furchtbar. Manche haben schon längst den Kontakt abgebrochen, manche halten ihn auf ein Minimum. 

Ich fühle mich durch diesen Krieg, durch Wladimir Putin, persönlich angegriffen. Doch nicht nur er ist daran schuld, sondern ein enormer Teil der russischen Öffentlichkeit die Kriegspropaganda verbreitet hat. Hetze betrieben hat. Und auch die einfachen Russen, die diese wiedergekäut haben. Auch die sind schuld. Nein, es bringt nichts in Deutschland irgendwelche russischen Läden zu zerstören oder jemanden anzublöken bloß weil er Russisch spricht. Das ist quatsch und fremdenfeindlich obendrauf. Das sollte klar sein. Ich fühle mich angegriffen, weil mir meine zweite Heimat weggenommen wurde. Ich kann nie wieder nach Russland fliegen. Ich kann nicht mehr meinen Opa besuchen. Nicht nur weil die Umstände dort so krass sind, dass einen die Cops auf der Straße filzen können um zu sehen was auf deinem Handy so ist. Sondern weil er auch ein reiner Propaganda-Zombie geworden ist und nur noch Scheiße aus seinem Mund fließt. Dieses Land, in welchem ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht habe existiert nun einfach nicht mehr. Man hat es mir weggenommen.

Mein Herz und mein Verstand ist beim ukrainischen Volk.

Слава Україні!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen