Mittwoch, 30. April 2014

Geschichten, die keiner mag#34: Eastern Europe Style

Ich bin mal ganz ehrlich. Mich nervt diese Rubrik momentan leicht. Zwar nicht so wie "Jay-Zs 99 Probleme"(ja verdammt noch mal, ich hab seit wochen nichts geschrieben, aber es kommt bald ganz ganz viel. versprochen!) aber doch ein bisschen. Mein Problem ist folgender: mir gehen grade die Themen aus. Und die Themen die ich evtl. dran nehmen können, erscheinen auf den ersten Blick viel zu persönlich dass ich sie unterbringen könnte. Deshalb hab ich mich für ein Thema entschieden, welches so wenig persönliches rüberbringt wie möglich. Alleine schon, weil die meisten Leute schon tot sind.
Ich versuche nämlich die Geschichte meiner Familie zu rekonstruieren.

Leider weiß ich nicht die genauen Daten und Jahreszahlen. Die Hälfte der Familie mütterlicherseits ist nämlich gestorben, sodass ich auch nicht wirklich nachfragen kann. Deshalb fange ich an mit der frühsten Erinnerung, von der ich weiß:
Irgendwann Anfang der 1940er Jahre, zur Zeit der Leningrader Blockade - Meine Ururoma befindet sich auf dem Weg nach hause. Dummerweise stellen sich irgendwann mehrere Sowjetsoldaten in dem Weg und versuchen aus ihr rauszukriegen ob sie verbotenerweise zuviele Lebensmittel mit sich führt. - Falls ihr wissen wollt warum, folgt dem Link - Es lief alles gut ab. Zum Glück haben sie ihre Winterschuhe nicht durchsucht, sie waren nämlich vollgestopft mit Mehl, damit sie Brot backen kann.

Meine Uroma durfte ich leider nie kennenlernen. Sie verstarb, als meine Oma noch im Kindesalter war. Meinen Uropa sowieso nicht. Meinen Opa erstaunlicherweise auch nicht. Wie hier in "Me and my old man" nachzulesen durfte ich aber ihren Stiefvater kennenlernen, der für mich aber ein wahrer Verwandter ist. Doch dazu später. Mein eigentlicher Opa(der Pe von meiner Em) war ein eigentlich sehr fürsorglicher Mensch. Doch irgendwann kam der Schnaps um die Ecke und machte aus ihm etwas seltsames.... Nämlich jemanden, der so süchtig wurde dass er nichts mehr im Griff hatte. Wenn er zwangsweise Entzug machen musste, wurde er von seltsamen Wesen belagert. Nämlich von kleinen Zwergen die er mit kleinen Wasserpfeilen löschen musste... oder so. Was Entzugserscheinungen sind wißt ihr, oder?

Mein (Stief)opa hat, den meine Oma ende der 70er geheiratet hat besitzt auch n Haufen Familie. Allerdings hat er dabei noch ziemliches Glück gehabt. Sie sind nämlich noch fast alle am Leben. Ich durfte alle kennenlernen. Am meisten mochte ich meinen Urgroßvater. Dieser lernte meine Ugroßmutter in Berlin kennen. Er war Soldat der Roten Armee und sie war Krankenschwester. Das macht mich so froh. Ohne Scheiß. Wenn irgendein komischer Kraut in irgendeiner Onlinediskussion versucht auf "Aber opa war doch in ordnung"-tränendrüse zu drücken sage ich: "Ja, meiner war in Ordnung. Und er hat damals Krauts abgeknallt." Der Mensch wirkte stets gelassen und hatte immer paar Storys parat, genauso wie sein Sohn. Und er hatte aus früheren Zeit ein verdammt cooles Auto gehabt, was ich theoretisch gerne mal besitzen würde. Ich glaube aber es kommt nie dazu:


Da waren sie also. Mein Oma, mit ihrer Tochter aus der ersten Ehe und einen neuer Ehemann. Ich weiß nicht wie und ich weiß auch nicht mehr wirklich wann aber irgendwann lernte meine Em meinen Pe kennen. Er kam aus Polen, aus einer nördlichen Kleinstadt. Sie schrieben sich gegenseitig Briefe und lernten sich so irgendwie kennen. Irgendwann(das war mitte/ende der 80er) lernten sie sich auch in echt kennen. Meine Em besuchte ihm in der damaligen Volksrepublik Polen. Irgendwie mochten sie sich so n Bisschen und naja 1989 heirateten sie dann. Meine Mama zog nach Polen und lernte dort auch meine andere Oma, meinen Opa, meinen Urgroßvater und auch die Familie von meinen Großonkel kennen. N ganzer Haufen leute. Ich glaube aber, dass sie sie nicht besonders gemocht haben. Es war nämlich 1990. Die Sowjetunion war langsam am zerbröckeln. Die Polen, um es mal umgänglich auszudrücken, mochten die Russen nicht. Schließlich war Polen jahrzehntelang ein Satellitenstaat der UdSSR. Ja sicher, natürlich ging es nicht allen schlecht usw. usf. Jedoch mochte es niemand ständig unter der Fuchtel eines anderen Staates zu stehen. Dies erklärt die heutige polnische Wut auf alles kommunistische/sozialistische als auch diverse Unsympathien für Russen.

Ich glaube diese Diskrepanzen brachten auch einiges dazu bei, dass sich meine Eltern getrennt haben. Sie waren nämlich sehr jung und ich war so weit ich weiß auch nicht grade ein Wunschkind. Ob ich indirekt dran schuldig bin, weiß ich nicht. Auf jeden Fall verhielt sich mein Vater komisch. Er versuchte meiner Mutter zu verbieten, Russisch zu reden oder russische Zeitschriften zu lesen. Das und verschiedene andere Meinungsverschiedenheiten führten auch dazu dass sie sich voneinander entfernt haben. Sie wohnten zwar in der selben Wohnung, doch hatten nichts gemeinsam. Als ich drei Jahre alt war, haben sie sich getrennt.

Leider weiß ich sehr wenig über die Geschichte der Eltern meines Vaters bescheid, doch das ist auch nicht uninteressant. Ich weiß dass das Geburtstdatum meines Opas unklar ist. In seinen Dokumenten steht was von 1935, er behauptet aber er wäre früher geboren. Seine Mama wurde nach dem Krieg Schauspielerin und trat regelmäßig im jüdischen Theater in Warschau auf. Sie schaffte es sogar in einen Film. Anscheinend muss mein Ugroßvater viele Verwandte gehabt haben, denn es finden sich Leute mit seinen Nachnamen in Israel, USA als auch Südafrika. Seinen Vater hat er nie wirklich gekannt. Er landete im Gefängnis, noch vor dem Krieg wegen "Sympathien mit Kommunisten". Wahrscheinlich ist er auch dort gestorben. Meine Oma hatte insgesamt 9 Schwestern die sich aus dem Staub gemacht haben als die Deutschen Polen überfallen haben.

Mein Urgroßvater war Mitglied der Partei als meine Oma sich in den 80ern den Protesten der "Solidarnosc"-Bewegung anschloß zwang ihm dieser Umstand irgendwann aus der Partei auszutreten. Trotz ihrer Unzufriedenheit mit den System, wurde sie nach der Wende zu einer Art Nostalgikerin. Ähnlich wie es mit ehemaligen DDRlern ist. Damals war zwar die große Scheiße aber es war nicht alles schlecht, schließlich ist heute auch die große Scheiße. So kam es auch zu Konflikten zwischen ihr und meinen Pe. Sie war absolut gegen Kapitalismus, während er die Herausforderung suchte und sich gedacht hat er würde bald Millionen mit seiner Firma verdienen. Was leider nie passierte.

Während mein Opa Architekt war und mein Pe (fast) seinen Fußstapfen folgte - er wollte Ingenieur werden und schaffte es dann in die Werbung, hat mein Onkel wohl die künstlerische Ader übernommen, genau wie seine Oma. Er ist mittlerweile einer der bekanntesten Satiriker und Kabarettisten Polens.

Ich merke grade wie viel das ist. Sehr viel.

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