Samstag, 25. Oktober 2014

Geschichten, die keiner mag#40: Stricher war auch mal klein

Bei all den Erzählungen über meine Arbeit, über Subkulturen, Politik und den ganzen Krimskrams hab ich eines leider vergessen. Nämlich meine Kindheit.

Ja, ich bin ein Kind der 90er aber neheeeein ich werde hier nicht/aufkeinenfall den Eintrag mit sinnlosen Nostalgieonanierereien auf irgendwelche Serien oder Kaugummis verbocken. Nein, es geht um viel mehr. Mag sein, dass das alles irgendwie abstrus oder unwichtig erscheint, aber ich hab Bock darüber zu schreiben.

Ich bin Ende des Jahres 1990 in einem beschaulichen kleinen Städchen im Norden Polens auf die Welt gekommen. Über die Geschichte meiner Familie müsstet ihr aber auch schon bescheid wissen. So, das wärs eigentlich, was die Vorgeschichte betrifft. Jetzt kommen wir aber zu der frühesten Erinnerung, die ich habe:

Ich, meine Em, als auch irgendwelche Freunde von ihr sitzen bei einem gemütlichen Abend in unserer Wohnung. Irgendwann "falle" ich "absichtlich" vom sitz runter. Meine Em meint schon drohend "Stricher, hör auf Unfug zu machen". Doch das ist nur der Anfang. Klein Stricher rennt los und quer durch den raum durch und landet mit seinem Kopf direkt am Heizkörper. Krankenhaus. Wunde am Kopf. Es wird genäht. Seitdem hat Stricher eine Narbe, weiß aber nicht genau wo.

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Kindergarten: Befand sich genau gegenüber unserem Block. Lärmende Kinder. Mehr weiß ich auch nicht.

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Aufenthalt bei meinen Großeltern in St. Petersburg. Es ist Winter. Mein Opa trägt mich durch die Gegend weil ich müde bin. Ich pinkel mich ein.

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0. Klasse aka Vorschule. Circa 1996. Rundherum um mich sind Kinder. Ich bin auch ein Kind. Am ersten Tag gibt es Brötchen von meiner Mama zum Frühstück. Dadrauf: Butter und Salami. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass ich es nicht mochte und ca. 100 Jahre darauf rumgekaut hab und es anschließend weggeworfen hab. Die Kids waren echt komisch. Das eine Mädel prahlte die ganze Zeit damit rum, dass sie "Klamotten aus Deutschland, spielzeug aus deutschland, alles aus deutschland" hat. Der eine war einfach ätzend. Er machte sich am Anfang über meinen Nachnamen lustig, weil es auf polnisch "Heugabel" heißt. Dann war noch dieses komische Mädchen was sich einmal abgeleckt und gemeint hat, dass sie süß ist. Und dieses nette Mädchen, dass mir mal die Schuhe gebunden hat, weil ich es damals immer noch nicht konnte. Ich weiß noch genau, dass sie die Erzieherin spaßeshalber "Mami" genannt hat, auch als sie von ihrer eigentlichen Mama abgeholt wurde und sich verabschiedet hat. Das fand ihre Mama wohl nicht wirklich lustig. Sie hat nämlich später mal erzählt, dass als sie mal ihre Mutti nach irgendwelchen Materialien für den Bastelunterricht gefragt hat, ein "HALT DEINE FRESSE!" als Antwort bekommen hat. huehuehue
Sehr witzig war auch der "Tag von Oma und Opa", welcher als Zusammenlegung der beiden Feiertage "Omatag" und "Opatag" fungiert hat. Ich sollte eigentlich ein Teil eines Gedichts aufsagen zog aber vor stattdessen ein "Habe ich vergessen" rauszuhauen.

Ich war außerdem ein Fernsehkind. Batman, Schlümpfe, Teenage Mutant Ninja Turtles, Familie Feuerstein und die Power Rangers. Ja, ich liebte die Power Rangers. Ich ging sogar soweit dass ich aus bunter Pappe Pfeil, Bogen und zwei Messer gebastelt hab weil ich die zwei mädels von nebenan überreden wollte, dass sie Kimberly und Trini darstellen sollen. Leider hat es mir meine Mum ausgeredet. Aus heutiger Sicht ist auch interessant wovor ich damals alles Angst hatte. Nämlich vor Jim Carrey als er noch im gelben Zoot Suit und grünem Gesicht in "Die Maske" rumgejumpt ist. Oder vor Spider-Mans riesigen Augen. Oder vor Knöpfen. Naja vielleicht keine direkte Angst aber Ekel. Egal ob Knöpfe am Weihnachtspulli oder die am anderen Ende der Bettwäsche.

Meine Em und ich waren nicht gerade reich. Ich weiß nicht wie sie es geschafft hat uns beide durchzubringen. Jedoch hat sie das ordentlich hinbekommen und deswegen hab ich immer noch Respekt vor ihr, auch wenn wir einige Unstimmigkeiten hatten. Krass wars auch als irgendein polnisches Jugendamt versucht hat mich nach der Scheidung meiner Eltern wegzunehmen. Die Begründung war: Das Kind kann nicht "russisch" erzogen werden. Dabei wurde ich das gar nicht, sondern bin zweisprachig aufgewachsen. Außerdem haben sie versucht entweder unterschwellig oder aus verpeiltheit für den polnischen Ausweis den russischen Namen meiner Ma in einen polnischen umzuwandeln. Ich kann mich leider nicht erinnern dass ich die Frau vom zuständigen Amt versucht hab dafür zu treten.

Ich war ein schwieriges Kind, legte mich im Supermarkt aufm Boden oder draußen in eine Pfütze wenn ich nicht das bekommen hab was ich wollte. Dafür hatte ich eine beste Freundin - sie war ein paar Monate alt als mein Pe sie nach Hause gebracht hat. Sie hieß Meri und war eine Dackeldame. Meine Nervereien und Aufmsackgehereien waren dem Hund wohl ne Zeit lang echt zuviel geworden, sodass sie keine anderen Kinder mehr gemocht hat. Trotzdem mochte sie mich, auch wenn ich manchmal scheiße zu ihr war(so wie kinder manchmal sind) und auch wenn wir sie leider übelst überfüttert haben.

Manchmal frage ich mich wie wir überhaupt zurecht gekommen sind damals.

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Umzug nach Breslau. Erste Klasse. Ekelhafter erster Schultag. Ich hab geheult. Nichts mehr mit Ferien. Und dieses komische kleine Schulgebäude. Diese ganzen komischen Kinder. Niemand mochte mich. Wirklich niemand. Man nannte mich "Syph", aus wasweißich für Gründen. Und weil mich niemand gemocht hat, hab ich Stunk gemacht. Hauptfeind#1-2 waren übrigens Dominik und ein Kind was ähnlich wie ich hieß. Es hatte nämlich die deutsche Version meines Vornamens. Hab irgendwann üblen Anschiss bekommen weil ich ein Mädchen mit nem Radiergummi böse getroffen hab(inklusive blauer Fleck). Irgendwann hat Dominik n Ball direkt in meine Zähne geworfen, wodurch einer danach entfernt werden musste(war eh n Milchzahn). Später hat er sich bei mir mit nem Geschenk(nem Spielzeugauto) eingeschleimt. Cool war n Junge aus meiner Klasse, der so lieb und nett war, dass alle gemeint haben er hätte "ein sooooo großes Herz". Selten jemand so engagiertes getroffen, der andere verteidigt hat. Lustig waren auch das Mittagessen. Ich meine mich zu erinnern, dass wir beinahe jeden Tag zum Mittagessen in die Mensa einer nahegelegenen Schule(in die alle Schüler nach der dritten Klasse wechseln) gegangen sind. Dort schrieben wir die Zahlen von Böden aller Teetassen auf, weil wir dachten es wäre irgendein Geheimcode oder so. Außerdem meinten wir dass die Köchinnen Hexen sind die das Essen absichtlich vergiften. Aluhut deluxe.

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2-3 Klasse war mindestens genauso ätzend. Wir sind nämlich von Breslau wieder zurückgezogen und ich ging schon wieder auf eine neue Schule. Was für ein Abfuck. Gemobbe in der Schule, Gemecker daheim. "Prügeleien", wenn man das so bezeichnen darf. Das war nicht sehr schön.
Doch in der vierten Klasse kam die Erlösung. Robert kam in die Klasse. Er war neu, kam ursprünglich von einer Musikschule und konnte kein Englisch. Von nun an, haben alle auf ihm rumgehackt, anstatt auf mir. Robert stinkt, Robert ist dumm, Robert kann kein Englisch zomg lol was für n opfer lan scheis katofl. Nun gut, ich versuchte mich mit ihm anzufreunden, allerdings war sein Verhalten sehr seltsam. Er log nämlich wie gedruckt. Und ich wusste immer nich ob ich irgendwas davon glauben soll. Dass sein Onkel zum Beispiel mit Limp Bizkit befreundet ist und sie bald nach Polen kommen. Apropos Limp Bizkit: Ich war damals 9-10 Jahre alt und fuhr auf einmal auf Zeug wie Eminem, Kid Rock, Korn usw. ab. Nicht wie Eiffel65 oder Gigi D'Agostini oder Just 5, was meine Klassenkameraden gehört haben. Irgendwie hat da angefangen sich irgendwas zu ändern. Wir hörten gemeinsam in den Pausen Musik mit mitgebrachten Anlagen. Alles wurde irgendwie viel cooler. Außer dass irgendwann Leute angefangen haben miteinander auszugehen...was mich irgendwie sehr verstört hat. Ebenso verstörend war der Besuch einer Psychotherapeutin(oder so) die mit uns im Kreis saß und uns dazu brachte die beknacktesten, ekligsten Schimpfwörter rauszuhauen die wir nur kannten. Irgendwann kam die Zeit der Sommerferien und ich musste gehen. Nach Toytschland. Allerdings mit einem Zwischentopp in Russland.

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Eigentlich sollten es nur die Sommerferien werden. Doch nicht wenn es nach meiner Oma gehen sollte. Sie war etwas zu gesundheitsfanatisch, besonders was mich betrifft. Also ging es zu einer Klinik und mich abzuchecken - sie hatte nämlich den Verdacht ich hätte Skoliose(schiefer Rücken und so). Die Leute in der Klinik schienen mir aber nicht sehr seriös zu sein. Ich hab als erster nämlich von dem Chefarzt Finger in den Arsch bekommen(und daraufhin zur Belohnung n Kaugummi! Hey, immerhin etwas!). Danach hat mir so n Arzt das Fleisch vom Rücken wegmassiert. Daraufhin musste ich ne Zeit lang den Hals langgezogen kriegen....warum auch immer... Man hatte übrigens den Verdachte ich hätte Epilepsie was sich auch als Mumpitz rausgestellt hat.... Auf jeden Fall war eine lange, mehrmonatige Therapie vorgesehen. Sodass meine Großeltern mein Visum verlängert und mich an einer Schule angemeldet haben. Meine Fresse war das langweilig dort. Es ist buchstäblich nichts nennenswertes passiert.

Falls ihr wissen wollt was danach geschah, dann lest die Stories "Was los, bljad?" und "Setzen, fünf!"

Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal.


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