Dienstag, 28. April 2015

Geschichten, die keiner mag#46: From the Eastcoast to the Westcoast

Viele von euch kennen das. Man bereist in seinem Leben viele Orte und stellt manchmal fest, dass man sich heimisch fühlt. Manchmal fühlt man sich derartig heimisch, dass man gerne bleiben möchte. Leider führen diverse Lebenssituationen dazu, dass man weiterziehen muss. Man behält natürlich trotzdem gerne die Erinnerungen an diese Orte und kehrt immer wieder dorthin zurück. Deswegen dachte ich mir, dass ich mich einiges Revue passieren lasse und euch zeige wo ich schon mal gewohnt hab und wo ich wohne. Jau, genau das mach ich.

Koszalin

Die Stadt in der ich geboren wurde hat eine sehr lange Geschichte. Vor dem Ende des zweiten Weltkrieges gehörte sie zu Preußen und war als Köslin bekannt. Sie machte, wie ganz Polen, mehrere Besatzungen mit, gehörte unter Napoleons Besatzung immernoch zu Preußen, war im 17 Jahrhundert auch unter schwedischer Verwaltung. Nachdem die Rote Armee im 2.WK Ostpreußen erobert hat wurden in Koszalin Polen angesiedelt und die Stadt zur Hauptstadt ihrer eigenen Woiwodschaft erklärt.

Ich erinnere mich an sehr viel und an sehr wenig. Alles ist sehr klar und sehr verschwommen. Ich ging hier in den Kindergarten als auch in die 2.-4. Klasse Grundschule. Hier fühlte ich mich von allen zurückgelassen und gemobbt und knüpfte erste Freundschaften. Ich habe mich hier das erste Mal verknallt, habe das erste Mal geküsst und gebissen. Alles dieselbe Person. Ging nicht gut aus. Auch bin ich hier in ein Gebüsch gefallen sodass ein langer Stock sich in meinen Oberschenkel gebohrt hat. Zumindest hab ich das so in Erinnerung, dass ich ein loch unterhalb meiner Arschbacke hatte und es genäht werden musste. Hier habe ich zusammen mit einem guten Kumpel illegale Geschäfte auf einem Sportplatz getätigt. Wir kauften illegal Böller (wir waren beide höchstens 10 Jahre alt, oh no!) für 50 groszy das Stück. Die sind nicht mal explodiert. Hier wohnt mein Opa (väterlicherseits) und hier wohnte auch meine Oma bis sie vor ein paar Jahren starb. Scheinbar aus Kriegszeiten hat er die seltsame Angewohnheit alles mögliche zu sammeln und selten was wegzuwerfen. Ich konnte damals nicht verstehen wieso er so gerne Orangenschalen trocknen ließ und sie dann in heißen Tee getunkt hat, um sie danach zu essen.

Die Stadt ist sehr schön. Es gibt viele Altbauten, als auch viele Denkmäler und historische Angelpunkte. Zum Beispiel das Haus des Henkers, in welchem im Mittelalter wohl tatsächlich ein Henker gewohnt hat. Zu meiner Zeit wohnte und arbeitete dort ein Kollege meines Vaters der ne kleine Werbeagentur auf die Beine gestellt hat. Lustigerweise kapierten das die Kinder vor Ort nicht und fürchteten sich immer vorm "Haus des Henkers".

Ich und meine Ma sind mehrmals umgezogen und wohnten unter anderem auch in einem eigenen Haus, das an einen Wald grenzte. Leider war unser Zaun nicht vollständig und eines Tages hatten wir eine Kuh im Garten stehen. Eine seltsame Frau vom anderen Ende des Waldes ist aufgetaucht und meinte sie unbedingt spazieren zu führen und in unser Garten zu lassen. Das war sehr seltsam, mich störte das aber nicht. Auch war es ziemlich cool, nachts irgendwelche Rehe zu beobachten die am "Zaun" standen.

Koszalin ist trotz seiner 100.000+ Einwohner eine ziemliche Einöde. Doch trotzdem blicke ich gerne zurück auf die Zeit als ich mehr als unschuldig war.

Breslau

Breslau war ätzend. Wir sind hierhin mitte der 90er hingezogen. Ich ging hier in die erste Klasse. Der erste Schultag war scheiße und ich musste weinen. Außerdem benutzte ich Blätter vom Baum als Taschentuch für meine Rotze. Die Kinder waren schrecklich.

Unser Nachbar von oben mochte unseren Hund nicht und drohte immer wieder sich irgendwo über sie zu beschweren. Eines Tages sah ich wie er auf seinem Balkon steht und das Geschehen unten beobachtet. Er war grau. Richtig grau, als würde er aus einem Schwarz/Weiß-Film kommen. Meiner Meinung nach war er kein Mensch sondern jemand richtig böses, der uns gehasst hat. Damals hab ich auch den Nachnamen Filz immer nur mit etwas miesen in Verbindung gebracht. Wir wohnten auf einer Straße die nach Bombenentschärfern benannt war. Unsere Nachbarin warnte uns immer wieder nicht auf Minen zu treten. Ich dachte, sie meinte Hundehaufen oder so. Aber nein, sie meinte richtige Mienen die nach dem 2.WK übrig geblieben sind. Insgesamt hab ich nur bruchstückhafte Erinnerungen an diesen Ort. Kommt wohl daher, dass ich so jung war als wir dahin gezogen sind und nur ein Jahr dort blieben.

St. Petersburg

St. Petersburg, auch als Leningrad bzw. Petrograd bekannt. Die Heimat meiner Mutter, meiner Großmutter, meiner Urgroßmutter mütterlicherseits. Man redet oft von Großstädten und man redet von Metropolen. St. Petersburg ist eine Metropole. Mit vielen Gesichtern. Ich war früher sehr oft dort, zu Besuch bei meinen Großeltern. Mein Opa führte mich überall rum, in jedes erdenkliche Museum. Am meisten Spaß hatte ich auf dem alten Kriegsschiff Aurora oder im Artilleriemuseum. Hatte wohl etwas mit kindlicher Begeisterung für alles ballernde zu tun. Das allerschlimmste war das zoologische Museum. Dort sind jede Menge ausgestopfte und in Alkohol eingelegte Tiere zu sehen. Das ist ziemlich übel, weil man sich permanent beobachtet fühlt. Meine Fresse ist das eklig. Das riesige Walskelett ist aber ziemlich cool. Ich würde sehr gerne wieder zurück kommen und mir das ganze mit erwachsenen Augen ansehen.

Meine Großeltern wohnten in keinem der Nobelbezirke der Stadt. Wenn man vom Stadtkern, mit dem schönen Fluss Neva und all diesen teuren Flussfahrten mehrere Metrostationen in die andere Richtung fährt, ist auf einmal alles anders. Die Plattenbauten sahen immer mehr als miserabel aus. Allerdings hatten sie trotzdem irgendwie was familiäres. Ja, das war diese widerliche Pisstreppe und der angekokelte Fahrstuhl in welchen ich gerne war. Als auch der Gang zu der Wohnung meiner Großeltern der einfach nur nach Müll stank. Ich mochte den Geruch irgendwie. Diese ganzen schlechten Grafittis wie "RAP", "ICE CUBE" oder diese guten wie "ENTOMBED" oder die eher weniger guten wie "Störkraft". Und natürlich diese ganzen Hakenkreuze überall. Wirklich überall.

Der Krasnoselskij-Bezirk als auch die Kazakova-Straße waren mehr als unansehnlich. Trotzdem erinnere mich gerne zurück und merke dass ich beinahe jede Ecke dort kenne. Doch es sind nicht nur die Ecken die das ganze so schön machen, sondern die Menschen die dort leben bzw. gelebt haben. Wird Zeit dorthin zu fliegen. Nach ca. 10 Jahren.

Würzburg

Tjoa, meine Leser über Würzburg wisst ihr ganz schön viel. Beinahe viel zu viel. Um mehr über meine Hassliebe zu dieser Stadt zu erfahren, lest einfach den Eintrag "Für Würzburg".

Herne

Stricher wohnt nun in Herne. Und wie Hennes Bender schon mal gesagt hat: "In Herne wohnt man gerne."



Warum wohne ich hier? Nun, ich hatte es satt beinahe jedes Wochenende 350 km zu Frau Otterich zu fahren. Ich wollte hier in direkter Nähe sein. Bei ihr und unserem Hund, genannt Titzmaster. Außerdem dachte ich mir, dass 13 Jahre Würzburg mehr als genug sind und es Zeit wird, neue Welten zu entdecken. Hm. Bereue ich meine Entscheidung? Ich glaube nicht, nein. Es ist nämlich vieles anders. Die Leute sind direkter und sagen dir gerne was sie von dir halten. Eigentlich habe ich mir erhofft, im Ruhrgebiet ein Studium anzufangen, doch leider hat es schon ganze zwei mal nicht geklappt. Deswegen verweile ich in einem gefühlt 100 Jahre alten Getränkemarkt und verdiene meine Brötchen. Auch wenn das nicht der beste Job aller Zeiten ist, so ist es für mich der beste Job den ich je hatte. Noch nie hab ich mich so gut mit Mitarbeitern verstanden. Was ich außerdem an diesem Ort hier mag, ist das alles überschaubar ist. Und trotzdem sind mehrere Großstädte in der Nähe. Ich bin gleichzeitig am Arsch der Welt und habe einen relativ kurzen Zugang nach überallhin. Es ist alles auf einem Fleck. Das ist mir lieber als in einem riesigen Moloch zu wohnen. Es ist verhältnismäßig viel Natur hier und es ist verdammt ruhig. Außer irgendwelche Ronnys werden mit ihren Bierflaschen und Schalke-Trikots laut.

Manche würden sich Fragen warum ich das getan hab. Ich bin von einem Loch ins nächste Loch gezogen. Doch ich finde es ist wichtiger, den/diejenigen um dich rum zu haben die einen glücklich machen. Und man soll nicht rumheulen, dass die eigenen Freunde so weit weg sind. Wenn man den Willen dazu hat, kann man sie immer wieder besuchen.

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