Album Nummer 5. Eines der wenn nicht sogar DAS Deutschpunk-Album der 90er Jahre, meiner Meinung nach. Zweites Album von Slime nach der Reunion, Nachfolger vom etwas unterschiedlich aufgenommenem "Viva La Muerte".
"Schweineherbst" ist der Soundtrack der sogenannten "Baseballschlägerjahre", als die Gewalttaten von Neo-Nazis in der BRD immer mehr und immer skrupelloser wurden. Slime thematisieren hier nicht nur die Gewalt selbst sondern auch die gesellschaftliche Ohnmacht diesen Taten gegenüber und selbstverständlich besingt man auch ganz punk-typisch das Aufbegehren gegen diesem Staat.
Das Album wirkt auf mich wie ein Spagat zwischen den "alten" und den damals "neuen" Slime. Eine Band die sich selbstverständlich auf ihre Wurzeln bezieht und solche Gassenhauer wie "Ich war dabei" (ja, es geht um Ohnmacht im politischen Diskurs) oder "Brüllen, zetrümmern und weg" (ja, irgendwie geht um etwas ähnliches), die zwar nachdenklicher sind als ihre früheren Songs aber mindestens genauso zünden und zum Mitbrüllen geeignet sind. Slime schaffen es gleichzeitig, die Nachdenklichkeit von "Viva La Muerte" einzufangen, als auch dieses "Straßenschlacht"-Feeling von den Alben davor. Was dabei herauskommt ist ein Album voller Hits, einer nach dem anderen. Der Titelsong ist alleine aufgrund der Zeile "Die Tore fallen ins Schloss und wer drin ist, wird gesiebt/wie schade dass es zum Sieben keinen schnelleren Weg mehr gibt" ein Gänsehaut garant. Zusammenfassend lässt es sich sagen: Es geht primär hier um rechte Gewalt ("Schweineherbst", "Gewalt", "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland"), gesellschaftliche Ohnmacht als auch Selbstzweifel in linken Kreisen und ein Bisschen Rückbesinnung auf alte Zeiten ("Joe ist zurück").
Ich habe damals das erste Slime-Album gehabt und irgendwann auch die "Alle gegen Alle" und irgendwie hatte ich einfach einen Batzen Songs in .mp3-Format, die ich alle keinem Album zuordnen konnte. Habe damals nicht begreifen können wie eine Band gleichzeitig für Songs wie "ACAB" und "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" verantwortlich sein konnte. Heute weiß ich es: Ohne die Reunion hätte es diese technisch und textlich besseren Songs nicht gegeben und hätten Slime "Viva La Muerte" nicht rausgebracht, wahrscheinlich auch nicht. Mir gefällt vor allem der großflächige Unterschied zwischen dem durchaus aggressiven Titeltrack zu Beginn und dem fast schon post-punkigen "Goldene Türme" am Ende des Albums. Ich mag es, wie das ganze Werk tatsächlich Mitsing-Charakter hat, während es um wichtige und mitunter sehr traurige Dinge geht - ohne jedoch absolut peinlich zu sein. Slime schaffen es hier, noch, eine durchaus sehr wichtige politische Band zu sein, die diese gewisse "Faust hoch!"-Feeling aufrechterhält ohne absolut peinlich zu sein.
Anspieltipps: Schweinherbst, Gewalt, Zusammen, Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, Goldene Türme, Brüllen zertrümmern und weg
10/10 Pfandflaschen
Und weil drei Meinungen besser sind als eine, hier kommt
Philipp:
"Ja Servus Leude, ich sitze hier schön nach einem langen
Festival-Wochenende mit Corona zu Hause (mein zweites Mal schon) und schreibe
etwas über eines der wichtigsten Alben meiner frühen Punk-Sozialisation.
Die Umstände, unter denen mir das Album damals in die Hände
fiel, habe ich ja im Review zu Slime 1 bereits angedeutet, in Form einer
gebrannten CD, die mir ein Kumpel aus der Parallelklasse auf dem Schulhof
zusteckte, meine Welt war danach eine andere. Ich habe viele Texte und auch die
Musik damals nicht wirklich verstanden, ich wusste nur, dass das irgendwie
etwas ganz großes sein muss.
Nachdem sich Slime mit Viva La Muerte zaghaft und halbgar an
Alternative/Hard Rock und Metal versucht haben, stellt man sich auf
Schweineherbst den neuen Faschisten in Deutschland mit größtmöglicher
Brachialität und Härte entgegen. Der Hardcore von Alle Gegen Alle ist zurück,
gepaart mit Metal und unfassbar hymnischen Refrains, es wird quasi aus allen
Rohren gefeuert, Slime konzentrierten sich auf das Beste aus allen
Schaffensphasen und haben die Essenz in ein wirklich großartiges Album
gegossen. Die Texte sind durchgängig erstklassig, kämpferisch, emotional, etwas
kryptisch, ein klitzekleines Teelöffelchen Humor (Ich war dabei), ansonsten
geht es wirklich ernst zur Sache. Die Themen sind angesichts der Zeit, in der
sie entstanden sind, fast offensichtlich. Es geht um Gewalt gegen linke
Demonstranten, staatliche Repression, linksautonome Grabenkämpfe,
Kolonialisierung und alte und neue Nazis.
Den Text zu „Aufrecht Gehen“ hat übrigens ein gewisser
Markus Wiebusch (damals …But Alive) geschrieben, Stephan Mahler bedankte sich
dafür mit dem Text für „Gefrorene Felder“ auf dem …But Alive-Album „Bis jetzt
ging alles gut“, ebenfalls ein großartiger Song, aber das ist eine andere
Geschichte.
Dass Slime sich mit diesem Album in derartige Höhen
aufschwangen, dass die Band wenig später aufgrund des großen Erfolges, des
Gefühls, alles gesagt zu haben und der Angst, nur eine weitere Rockband zu
werden, implodierte, ist zwar schade, aber auch durchaus nachvollziehbar.
Schweineherbst ist und bleibt eins der besten deutschen
Punkalben der 90er Jahre, wenn nicht insgesamt eins der besten
Deutschpunkalben. Großes Kino diese.
10/10 Dicken-Vokuhilas
Anspieltipps: Zusammen,
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, Goldene Türme"
Raphael:
"Die Meinungen zum vierten
Slime Album „Viva La Muerte“ gingen ja weit auseinander, was heißt, dass wohl
dieses Mal auch sehr unterschiedliche Entwicklungen beschrieben werden. Da
meines Erachtens nach die vorige Langspielplatte ein ziemlicher Ausfall war, können
Slime dementsprechend nur gewinnen. Und ich lehne mich wohl nicht zu weit aus
dem Fenster, wenn ich sage, dass „Schweineherbst“ in weiten Kreisen als das
beste aller Slime Alben bezeichnet wird. Das fünfte Album strotzt vor
Entschlossenheit, Kraft, Wut und Lust auf positive Veränderung. Wir befinden
uns mitten in den 1990er Jahren. Die kürzlich um sogenannte „blühende
Landschaften“ gen Osten gewachsene Bundesrepublik Deutschland zeigt
erfolgreich, dass sie aus Krieg und Faschismus keine Lehren gezogen hat. Und
während von Lichtenhagen bis Mölln Neonazis morden, brandschatzen und die
Bevölkerung terrorisieren, bietet eine auf dem rechten Auge blinde Justiz
Feuerschutz. Gleichzeitig bricht im Südosten des Kontinents wieder Krieg aus
und es kommt zu neuen Fluchtbewegungen.
In dieser Zeit entsteht
also „Schweineherbst“, und man merkt dem Album die Stimmung an. Das Album ist
finster – musikalisch wie auch textlich – und ist von einem nie zuvor
dagewesenen Aktivismus geprägt. Vorbei sind die Zeiten des Szenekrieges, der
Sauf- und Schunkellieder, und auch Spaß oder Freude werden höchstens als Form
des Widerstands gegen die Dunkelheit erwähnt. Slime präsentieren hier ein Album
zum gegenseitig bei der Schulter fassen und der Gewalt von Faschismus, Staat,
Krieg und Tod entgegenstellen. Dabei hat auch die Trauer um den verstorbenen
Ex-Drummer Peter Wodok ihren Weg in die Klänge von „Schweineherbst“ gefunden.
Auf ihrem fünften Album
rütteln Slime kräftig am selbstgerechten Bild der deutschen Realität. Mit ihren
eigenen Worten, mit denen von Marcus Wiebusch („Aufrecht gehen“) und denen von
Paul Celan („Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“) animieren Slime zum
Aufwachen. Auf einem Album, das keinen Aussetzer zu verzeichnen hat, appelliert
die Band zum antifaschistischen Engagement, zum Zusammenhalt und gegen die
Verzweiflung. Dass sich die Band nach der Tour zum Album aufgelöst hat, passt perfekt,
denn man soll doch aufhören, wenn es am schönsten ist. Ob sich Slime mit der
Neugründung im 21. Jahrhundert einen Gefallen getan haben, erfahren wir im
nächsten Beitrag.
10/10 Pfandflaschen
Anspieltipps: Zusammen, Gewalt, Der Tod ist ein Meister aus Deutschland"
S:
Jawoll, die digitale Musikreise geht langsam zu Ende. Ich bin tatsächlich mit S fertig und habe meine Augen wegen der Perlen und "Perlen" in dem Ordner geweitet.
Nach Stupidozid kommen die großartigen Subhumans (die aus England, nicht die aus Kanada) mit dem Album "The Day The Country Died" als auch der "Religious Wars" EP. Zur letzteren habe ich einen ganz besonderen Bezug. Habe nämlich mal an einer Art Punk-Karaoke teilgenommen und habe diesen Song gesungen. Gegen Ende habe ich mir mehrfach das Mikrofon an die Stirn gedonnert wie GG Allin. War irgendwann auf einen der "Keep It Evil"-Feste in Desi, Nürnberg. Good times
Die selbstbetitelte von Sublime ist zwar nicht wirklich das Wert womit ich aufwache oder schlafen gehe, aber die Fusion aus Ska, Reggae, Punkrock und lateinamerikanischen Rhythmen ist doch ziemlich cool. Als Gegensatz dazu darauffolgenden die "Effigy of the Forgotten" von Suffocation. Hierauf befindet sich das Lied "Liege of Inveracity", dass eben DAS Riff beinhaltet welches zahlreiche Slam Bands hinterher kopiert haben. Folglich sind Suffocation ungewollt Begründer eines ganzen Subgenres gewesen. Geil. Also Suffocation, nicht Slam. Das kann ich nicht leiden. Von Suicidal Tendencies habe ich die s/t (höhö), "Lights Camera Revolution", "Prime Cuts"(welches eine Sammlung von Neuaufnahmen ist) als auch die "Join The Army". Ich finds interessant wie sich diese Band von einer stinknormalen Hardcore Punk Band zu einem Crossover Thrash act hochgearbeitet hat, dass später sogar Funk-Einflüsse verwurstet hat. Nach wie vor eine einzigartige Band, wobei ich nicht sagen kann dass ich alles von ihnen mag. Finde im Gegenteil solche Songs wie "I Saw Your Mommy And Your Mommy's Dead" aus humoristischer Perspektive einfach schlecht gemacht.
"The Scythe Of Cosmic Chaos" von Sulphur Aeon hat endlich mal ein eigenständiges Review bekommen. Die Sunny Domestozs waren eine großartige Psychobilly-Band aus Deutschland die erfolgreich Punkrock, Ska, Rockabilly und anderes vermischt hat. Mein Favorit war das Cover von "Get Ready". Ich habe diesen Song damals bis zum Gehtnichtmehr gepumpt und es ist nach wie vor ein certified hood classic. Darauf folgt das nicht weniger großartige Projekt Svalbard mit dem Blackgaze-Album "When I Die, Will I Get Better":
Mindestens genauso großartig ist "Lies We Live" der Crust-Band SVFFER, bei der sich Genrepuristen streiten würden ob das nicht schon Powerviolence ist. Habe ich mal hier reviewt. "Free Power Violence" von $ylvester $taline ist jedoch ganz große Gülle. Es ist schlecht, nicht gut und kacke. Ganz und gar nicht kacke ist mein Symarip-Ordner. Hier drin findet sich ein Best-Of, rausgebracht von Trojan Records. Feinster Skinhead Reggae, wie er sein muss. Später dann System Shit mit "Kill That Fucker" und einem der witzigsten Albumcover überhaupt. Zwei Hippos die Adolf Hitler auffressen:
"Rat Attack" von The Sewer Rats ist ein Punkabilly-Album gefüllt mit allerlei Klischees und gar nicht mal schlechten Songs. Interessant wirds gegen Ende des Albums als die Typen anfangen auf Deutsch zu singen und man merkt: "Ha, das könnte genauso ein Deutschpunk-Album sein, höre nämlich gar keinen Unterschied heraus". Von The Sharks habe ich die Alben "Bitch Attack", "Phantom Killers", "Recreational Killer" und "Ruff Stuff In Plastic". Alles in allem durchaus rockabilly-esquer, melodischer Psychobilly der ziemlich hörbar ist. Ich glaube allerdings dass auf allen vier Alben eine Variation ihres bekanntesten Stücks "Take A Razor To Your Head" drauf ist, wieso auch immer. Dann natürlich die Sisters Of Mercs mit "First And Last And Always" und "Floodland". Nur um mir die Laune mit "Smelly Sally" von The Skrunch zu vermiesen. Das ist wirklich ganz ganz schäbig:
Wir kommen langsam zum Ende: "The Queen Is Dead" von The Smiths, "Here Are The Sonics" von The Sonics und die selbstbetitlte von The Stooges. Dann noch mal etwas Psychobilly: Melodisch und flott von "The Surfin' Wombatz". Habe ihr Album "Lager Loutz" glaube ich entweder ein einziges oder kein einziges Mal in meinem Leben gehört. Schade eigentlich, denn es ist ziemlich cool. Ebenso wie das Gegenteil dazu: "Come Back To The Swamp" von The Swampies, welches absolut rotzig ist und klingt wie der kleine Bruder von Demented Are Go. Das Schlußlich bildet der Rapper Vince Staples mit seinem Album "Big Fish Theory".
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