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Donnerstag, 30. März 2023

So isses, Musik!#164

Slime Discography: Yankees raus (1982)

Allrighty then, es geht weiter mit der Slime Discography und tatsächlich hatte ich diesmal etwas Bauchschmerzen vor dem Anhören des Albums. Ich erinnere mich an Debatten in der deutschsprachigen radikalen Linken über die Sinnhaftigkeit bzw. Unmöglichkeit eines Songs wie "Yankees raus" als auch dass der "Nachfolgeband" von Slime - RubberSlime (die sich aus Mitgliedern von Slime und Rubbermaids zusammensetzte) einst während eines Auftritts der Strom abgedreht wurde, weil sie eben dieses Lied gespielt haben. Als ich es das erste Mal gehört habe, war ich zwar schon paar Jahre im Lande, sprach aber noch nicht genug Deutsch um den Sachverhalt zu verstehen. Das "richtige" Slime-Fieber kam erst ein paar Jahre später als ich die "Slime 1" für mich entdeckte. 


Um es heutiger Sicht zu betrachten: Der Titelsong ist ziemlicher Murks. Klar, er ist fetzig, animiert einen zum Mitsingen. Aber textlich ist das absoluter Blödsinn. Sicher, die USA hatten Rassentrennung, waren an militärischen Aggressionen beteiligt während des Kalten Krieges (wie die UdSSR auch) aber sie auf eine Stufe mit dem 3. Reich zu stellen ist mehr als drüber. Genauso drüber sind Songzeilen wie "Das Blut fließt durch sie, seit dem Tag seitdem es sie gibt!" (als würde das Blut durch keinen Menschen fließen sonst, hä?"), die einen nahelegen dass der Feind sowas wie ein Monstrum ist. Die Forderung "Yankees raus!" bezieht sich sowohl auf die US-Army in anderen Ländern und wahrscheinlich auch auf die in Deutschland. So kann man den Song in dieselbe Reihe stellen wie "Besatzer raus" von Volxfront als auch "Natauer Packt" von Daily Terror. Die würden auf der Compilation "die dümmsten Punksongs aller Zeiten" rauskommen, die ich im Jahr 3999 veröffentlichen würde. Jedenfalls scheinen die Kompositoren vergessen zu haben, wieso die "Yankees" denn überhaupt da sind und weshalb sie ins Land gekommen sind. Aber wir halten uns nicht auf diesem Song auf.

Der Rest des Albums ist überraschend reif, wenn auch gleichzeitig parolenhaft (trotzdem nicht so wie auf dem ersten Album) und wirklich sehr sehr gut. Es gibt hier vage Konsumkritik ("Kauf oder stirb"), eine emotionale Abrechnung mit der atomaren Bedrohung ("Alptraum" - höllischer Ohrwurm), eine Auseinandersetzung mit eigener Lustlosigkeit und Alkoholkonsum als willkommener Gegensatz zu "Karlsquell" auf dem ersten Album ("Wieder breit"). Mit "Block E" auch ein Fußballsong, der vor der Hinwendung Slimes zum 1. FC St. Pauli entstanden ist - hier sind die Mitglieder noch HSV-Fans. "Legal-illegal-scheißegal" als auch "Demokratie" und "Gewinnen werden immer wir" sind Songs die zwar unfassbar catchy sind aber innerhalb des zeitlichen Kontexts betrachtet werden müssen. Vor allem die letzten beiden, könnten heutzutage sowohl auf Gewerkschaftsdemos als auch auf irgendwelchen Querdenker-Versammlungen gespielt werden könnten, das gilt aber für so viele Deutschpunk-Klassiker der Zeit. Und überhaupt, ich verlange nicht dass eine Punkband sich irgendwie mit politischer Ökonomie beschäftigt hat oder oder oder. Sowohl der Titelsong als auch die eben erwähnten sind im Kontext der Zeit zu betrachten - und spätestens bei "Schweineherbst" werden wir sehen, dass Slime es auch ganz ganz ganz anders können. Meiner Meinung nach ist das nächste Album, "Alle gegen Alle" mit das beste aus der 80er Ära der Band. Das Review dazu findet ihr hier. 

Anspieltipps: Wenn der Himmel brennt, Legal-Illegal-Scheißegal, Gewinnen werden immer wir, Alptraum
7,5/10 Pfandflaschen

Und weil drei Meinungen besser sind als eine, hier kommt...

Philipp:

"Ohje, ich kann mir schon lebhaft vorstellen, was Raphi und Greg zu diesem strunzdämlichen Opener (beziehungsweise Titeltrack) sagen werden und ich will das nur ungern in anderen Worten noch mal wiederholen. Unangebrachte NS-Vergleiche schienen wohl in den ersten Jahren der Band ein Steckenpferd von Slime gewesen zu sein, das ist aber auch auf das enorme Provokationspotenzial in der Elterngeneration bzw Gesellschaft zurückzuführen. Und Antiamerikanismus war damals in der Linken wohl auch einfach in. 

Slime (wahrscheinlich) im Jahre 1982
Aber dieses Album lediglich darauf zu reduzieren, täte ihm wirklich Unrecht, denn hier ist eine deutliche Steigerung zum ersten Album zu sehen. Schlagzeuger ist nun Stephan Mahler, der ja als Gastsänger schon auf dem ersten Album zu hören war und dieser macht seinen Job (inklusive Verfassen einiger Texte, welche genau konnte ich leider nicht herausfinden, Yankees Raus gehört jedenfalls nicht dazu) ziemlich gut auch wenn er bei "Legal-Illegal-Scheissegal" so klingt, als fiele er mitsamt seines Schlagzeugs die Treppe herunter. 

Nun, jedenfalls ist hier die legendäre Slime-Besetzung zu hören, die uns bis zum fünften Album "Schweineherbst" begleiten wird, und die tatsächlich so etwas wie Legendenstatus genießt, obwohl sie (netto) gar nicht Mal so lange existiert hat. Zumindest hat Eisenpimmler Alex Schwers in seinem Leben wohl mehr Tage als Slime-Schlagzeuger verbracht als Stephan Mahler und muss sich trotzdem ständig an diesem messen lassen, aber das ist wohl eine andere Geschichte, auf der ich an anderer Stelle noch ausgiebig herumkauen werde. 

Nun zur Musik:
Die Produktion ist irgendwie kacke aber das interessiert mich nicht. Songs wie das bereits erwähnte "Legal-Illegal-Scheissegal", "Albtraum" oder "Wieder breit" laden zum dosenbiergeschwängerten Mitgrölen ein und die Band ist einfach wahnsinnig gut aufeinander eingespielt. Die Gitarren sind unfassbar druckvoll, der Bass liefert eine geile Bassline nach der anderen ab und was Stephan Mahler für ein präzises und scheiss schnelles Schlagzeug an den Tag legt, ist sowieso kaum mit irgendjemandem dieser Zeit vergleichbar.

Ach und ich will es hier unbedingt erwähnen: Mein absoluter Lieblingssong dieses Albums ist der Ausreißer "Denken ist der Tod", ich liebe diese unbeholfene, melancholische Früh-80er-Emo-Lyrik einfach. Und diese Bassline und die Gitarren-Zwischenspiele... Gold.

Warum man die stumpfe Fußball-Hymne "Block E" und eine instrumentale Version des Traditionals Greensleeves sowie ein albernes Nichts-Cover (oder eine Parodie?) auf das Album packen musste, entzieht sich meinem Verständnis und sorgt dann doch noch für ein paar mehr Abzüge und somit verbleibe ich kopfschüttelnd, kopfnickend, dosenstechend und mit

7,5/10 Pfandflaschen

Anspieltipps:

Legal-Illegal-Scheissegal, Denken Ist der Tod, Albtraum"

Raphael:

"Herzlich willkommen zur zweiten Runde der Konfrontation mit meiner eigenen Jugend. Wir blicken also in das Jahr 1982: Black Sabbath hat in diesem Jahr kein Studio-Release, das erste Emoticon wird verschickt, und das Vereinigte Königreich führt Krieg gegen Argentinien um die Falklandinseln. In diesem Jahr veröffentlichten Slime ihr zweites Album „Yankees raus“. Anders als das Debut erscheint das Nachfolgewerk bei Aggressive Rockproduktionen und ist somit nicht mehr in Eigenregie produziert. Eine weitere Änderung ist, dass Drummer Peter „Ball“ Wodok die Band verlassen hat und stattdessen Stephan Mahler dazugekommen ist. Mahler hatte schon zusammen mit Christian Mevs bei Screamer gespielt und hat für das zweite Slimealbum nicht nur die Screamersongs „Demokratie“ und „Pseudo“ mitgebracht, sondern auch die Hälfte der Lieder auf „Yankees raus“ geschrieben.

Beginnen wir mit etwas Positivem: der Sound ist deutlich besser als auf „Slime 1“, was wohl den neuen Möglichkeiten mit Label im Rücken zu verdanken ist. Klar klingt „Yankees raus“ noch immer nach einem im Jahr 1982 veröffentlichten Deutschpunkalbum, aber im Vergleich zum Vorgänger hat sich klangtechnisch einiges getan. Auch musikalisch haben sich Slime in der kurzen Zeit etwas weiterentwickelt, was vorrangig am stärkeren Hardcore-Einfluss zu erkennen ist. Und textlich hat sich die Band nun gänzlich den deutschsprachigen Liedern zugewandt – so weit, so okay.

Es beginnt mit dem Titeltrack, den man sicherlich irgendwie mit Zeitgeist oder jugendlicher Naivität bewerten kann, der aber im Großen und Ganzen einfach nicht geht. Das Lied „Yankees raus“ mag vielleicht nicht in dieselbe Kerbe schlagen wie „Türken raus“ von einer Grauzonen-Oi! Band aus Hösbach, aber sehr wohl wie „Ami go home“ von einer Braunschweiger Nazi-Punk Band. Erlöst werden wir von „Kauf oder Stirb“, das später von Totenmond gecovert wurde und mit einem fetzigen Pogo-Rhythmus Kapitalismus und Umweltzerstörung miteinander in Einklang bringt. Einer der stärksten Titel des Albums ist das melancholische Depropunk Stück „Alptraum“, welches so auch von Bands wie Chaos Z oder Neurotic Arseholes hätte stammen können. „Pseudo“ wiederum hat ein verhältnismäßig langes aber wirklich gelungenes Intro. Der Song an sich ist schön rumpelig und befasst sich selbstironisch mit der jungen Subkultur und ihrem inneren Kampf zwischen Nonkonformismus, Elitarismus und Individualismus. Die Absturzhymne „Wieder breit“ ist eine Bluespunkballade zum Überspringen; aber immerhin ist sie reflektierter als der „1,7 Promille Blues“. Weiterschunkeln kann man zur Version des irischen Traditionals „Greensleeves“, bevor mit „Bundeswehr“ ein regelrechtes Deutschpunkgewitter die erste LP-Seite beendet. Das Lied eignet sich wunderbar zum Abrisspogo und führt den Antimilitarismus von „We don’t need the army“ auf dem ersten Album fort. Dirk Jora bemüht sich zwar sehr, die Worte in die Zeilen zu pressen, aber insgesamt ist das Stück ein ziemlicher Knaller.

Die B-Seite beginnt mit „Gerechtigkeit“. Wenn der Refrain nicht so latent unangenehm wäre, wäre dieses Lied eine glatte 10/10. Und dass man als Antifaschist*in über vierzig Jahre später noch immer an der Gerechtigkeit der deutschen Justiz zweifeln muss, verleiht dem Lied traurige Aktualität. Direkt im Anschluss kommt mit „Gewinnen werden immer wir“ ein Mutmachlied für Demos und Proteste im Stile von Ton Steine Scherben. Im Refrain herrscht eine gewisse Fußballstimmung vor, die leider im nächsten Lied völlig den Ton angibt. „Block E“ ist Hymne und Anti-Hymne auf das Leben als Fußballfan gleichzeitig und es ist von vorne bis hinten ein Fest der Fremdscham. Zum Glück wird es danach wieder düster, denn „Denken ist der Tod“ ist eine dunkel-fröhliche No-Future Nummer. Auf den Text sollte man nicht allzu sehr achten, denn der Versuch, philosophisch zu klingen, gelingt nur fast. Neben „Gerechtigkeit“ ist das nächste Lied „Legal-Illegal-Scheißegal“ das einzige, an dessen Text Dirk Jora mitgeschrieben hat. Keine zwei Minuten knallt die Deutschpunknummer nach vorne und bis auf den Refrain bleibt vom Text wenig hängen – ist aber nicht schlimm, weil’s knallt. Dann kommt „Nichts“: darf übersprungen werden. Aber wo wir schon bei Texten waren, auf die man nicht so genau hören sollte, folgt mit „Demokratie“ das nächste gute Beispiel. Ich liebe dieses Lied, weil es einen fantastischen Basslauf hat, weil der Aufbau cool ist und weil ich die abwechslungsreiche Rhythmik mag. Der Text wiederum ist so unfassbar dumm, dass ich lieber das Alphabet dazu singen würde, als die Lyrics zu zitieren. Und zum Abschluss gibt es mit „Wenn der Himmel brennt“ noch ein Lied, das ich erst sehr spät für mich entdeckt habe. Musikalisch wie auch textlich hätte ich das Lied eher auf „Schweineherbst“ erwartet; und nicht nur deshalb ist es einer meiner Favoriten auf „Yankees raus“.
Im inneren Kampf zwischen Nostalgie und Reflektion freue ich mich, dass ab der nächsten Ausgabe keine Alben mehr drankommen, die mich einst geprägt haben. „Yankees raus“ hat einige richtige Minuspunkte und ein paar strahlend helle Punk Rock Sterne zu bieten. Am Ende gebe ich

6/10 Pfandflaschen
Anspieltipps: Alptraum, Pseudo, Legal-Illegal-Scheißegal"




S:

Folgerichtig kommt nach Skinflicks Skinny Puppy, die hier schon mal zu Gast waren. Danach dann drei Alben von der Psychobilly-Band Skitzo: "Vertigo", "Skitzo Mania" und "Terminal Damage". Ich kann leider nicht von mir behaupten, dass ich diese Band, deren Patch ich einst mir selbst hergestellt und draufgenäht habe, immer noch hören kann. Es ist einfach so furchtbar langweilig. Da gibt es wesentlich aufregendere Bands aus dem Genre. "Tear It Down" von Slapshot als auch deren Greatest Hits Compilation bringen lauter nostalgische Erinnnerungen hoch unter anderem die in welcher ich im jungen Alter zu "The Last Laugh" auf meinem Zimmer rumgehüpft bin - auch wenn das Lied hier nicht zu hören ist. Jedenfalls, Sänger Jake "Choke" Kelly ist n witziger Memelord, der eigentlich nur repostet, und es macht meistens Spaß ihm auf Instagram zu folgen. 




"Do It Dog Style" von Slaughter and the Dogs ist ein astreines 77er Punk/Powerpop/Keine Ahnung-Album, was ich aufgrund des Albumcovers und der Tatsache, dass es auf Captain Oi! wiederveröffentlicht wurde, fälschlicherweise als Oi!/Streetpunk in Erinnerung hatte. Ist cool, wirklich jetzt:




Nach Slaughter (höhö) kommt Slayer und damit mehrere Alben wie "Reign In Blood", "South of Heaven" aber auch "Seasons In The Abyss", "Christ Illusion" und das Punk-Cover-Album "Undisputed Attitude":




"Divide and Exit" von Sleaford Mods bleibt nach all den Jahren unschlagbar, obwohl ich weiß dass sie seitdem noch bessere Musik gemacht haben. Wer auf Post-Punk-Beats mit angepissten Sprechgesang steht, der klicke. Wer hingegen auf talentierten Riot Grrrl Punk steht und dem diverse Bands zu schrill waren, dem wird Sleater-Kinney gefallen - also klickt hier.

Die Stoner Doom Metal Urgesteine Sleep habe ich hier zwei mal durchgekaut. Einmal "Holy Mountain" und einmal "The Sciences". Beides nach wie vor bester Soundtrack zum verpennt rumliegen.

Philipp, Raphi und ich arbeiten ja momentan an der Discography von Slime. Ich habe auf der Festplatte auch einen Slime-Ordner, nur fängt dieser an mit einem Live-Album. Und zwar "1995 - Live Grosse Freiheit Hamburg" mit allerlei Klassikern wie Polizei SA/SS, Deutschland als auch damals neuen Liedern wie Schweineherbst oder Gewalt. Diese Live-Version von Gewalt ist, glaube ich, eine der eindringlichsten und emotionalsten. Schön.




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